Vorsicht vor Konfuzius
- Civis
- 17. März
- 5 Min. Lesezeit

Die China-Strategie der Bundesregierung hilf
nicht, sie lähmt und manifestiert einen naiven
Blick auf China, der Deutschland und Europa
mittelfristig schaden kann. Damit wiederholt
sie die Fehler, die bereits gegenüber dem Kreml
begangen wurden, so die Meinung von Jürgen
Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/
CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
von Jürgen Hardt
Die deutsche China-Strategie
Bundeskanzler Olaf Scholz, Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck hätten sicher gerne eine fertige China-Strategie im Aktenkoffer gehabt, als die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen stattfanden. Sie waren nur nicht in der Lage dazu, sich auf eine solche zu einigen – und dass, obwohl hausintern fertig abgestimmte Vorschläge bereits im Winter 2022 aus dem Auswärtigen Amt und dem Wirtschaftsministerium geleakt wurden. Es entspricht leider dem Naturell der Ampel, in vielen Dingen nicht zu langsam zu arbeiten, in Sachen China werden die Bruchlinien aber deutlicher als in anderen Bereichen. Die Formel vom „Partner, systemischem Rivalen und Wettbewerber“ ist eine zwar in der Analyse durchaus korrekte, für die politische Umsetzung errichtet sie jedoch Hürden, die operativ kaum zu bewältigen sind.
Dies umso mehr, als dass der Gegenpart in dieser Beziehung, die Führung in Peking, keine Trias an inkompatiblen Strategieansätzen verfolgt, sondern „systemischer Rivale“ das dortige Handeln gut charakterisiert. „Wettbewerber“ und „Partner“ kommen immer dann hinzu, wenn sie dort als Instrumente nützlich sind. An der eigentlichen Zielsetzung ändert das aber nichts, auch wenn diese Finten von der Bundesregierung – und leider auch manchem Regierungschef von Paris über Rom bis Budapest – dankbar aufgenommen und als Beweis dafür vorgebracht werden, dass die Kommunistische Partei Chinas eigentlich doch ein vertrauenswürdiger Verhandlungspartner sei.
Damit wiederholen einige den Fehler, den sie gegenüber dem Kreml schon begingen: Sie hören, was sie verstehen wollen, nicht, was gesagt wird.
Während Putin sein kleptokratisches Regime eher ohne große Not mit neo-zaristischer Ideologie aufpumpte und seine panslawistische Ideenwelt über Russia Today und Sputnik in die Welt posaunte, bekommen wir dank der Volkskongresse und Parteitreffen regelmäßig von Xi Jinping explizit vorgeführt, in welche Richtung er China lenken will. Dazu kommt die Dimension der innerchinesischen Debatte, die uns im politischen Berlin leider oftmals gar nicht erreicht. Das durchaus diverse, aber eng eingegrenzte Vorfeld an Denkern, Professoren und Journalisten von Thinktanks, Zeitungen und Universitäten spielt für den chinesischen Diskurs eine große Rolle und kanalisiert Unmut, den die Bevölkerung auf anderen Wegen nicht äußern darf, in regimegenehme Narrative. Darin ist eine der Ursachen des Aufstiegs des gesellschaftlichen, politisch geförderten Nationalismus beziehungsweise Chauvinismus in der chinesischen Politik zu sehen. Dieser scheint von außen betrachtet ein Fass aufzumachen, das selbst von Xi nur schwer zu kontrollieren ist. Aus dem internen Blickwinkel jedoch ist ein so universell einsetzbares ideologisches Konstrukt zu verlockend, um Druck von der Partei zu nehmen.
Mangel an Wissen
Dass solche Perspektiven in der deutschen Chinapolitik verlorengehen, liegt auch am mangelnden Chinawissen in der deutschen Wissenschaft, mit der bemerkenswerten Ausnahme von MERICS. Im Bundestag ist China-Fachkenntnis dünn gesät.
Ambitionen Chinas
Was sagt die chinesische Führung nun über ihre Ambitionen? Die Aussagen sind seit Jahren relativ kohärent und zielen darauf ab, China den „gerechten“ Platz unter den Völkern einzuräumen. Eine Nation, die spätestens seit den Opiumkriegen ihres zivilisatorischen Sonnenplatzes beraubt worden sei und die erst durch Mao wieder einen Aufholprozess hätte starten können, den sie der Kommunistischen Partei verdanke. In diesem Kontext ist die regelbasierte internationale Ordnung, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg entstand, aus Sicht der Kommunistischen Partei nur ein Vehikel zur Aufrechterhaltung westlicher Dominanz. Dementsprechend eifrig macht sich die Regierung in Peking daran, die damit verbundenen Werte – individuelle Freiheit, Demokratie, Pluralismus, Liberalismus – als unverbindliche, rein ideologische Ansichten zu charakterisieren, die eben nicht als Endpunkt einer mindestens seit der Aufklärung begonnenen Erkenntniskette stehen, sondern einen westlichen Sonderweg darstellen, der nur dort seine Legitimation habe. Demgegenüber stehen eine Führerkultur, ein Kollektivismus und ein Kanon an „sozialen Rechten“, der kaum mehr auf den klassischen (da westlichen) Marxismus rekurriert, sondern als globale Werte chinesischer Prägung in die Welt getragen werden.
Die Delegitimierung und Umwidmung Internationaler Organisationen ist ein essenzielles Instrument chinesischer Außenpolitik, gegen das der Westen, siehe das aktuelle Beispiel der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), in der mittlerweile mehrere chinesische Direktoren schalten und walten, kein Gegenrezept findet. „One Belt, One Road“, die Überschuldung von Drittstaaten und militärische Drohgebärden in der Region sind weitere Methoden, gegen die erst langsam Strategien entwickelt werden.
Überhaupt wäre es wichtiger, den eigenen Instrumentenkasten zu entstauben, als nur reaktiv zu denken und zu handeln. Denn mit einem hat die Führung in China recht: Noch sieht die Welt nicht so aus, wie sie sie gerne hätte und noch ist der Westen in einer starken Position, erst recht mit einem Kongress, der geschlossen hinter einer starken China-Politik steht. Dieses Momentum gilt es zu nutzen, und dafür muss das eigene Arsenal erst einmal identifiziert werden.
Die neue deutsche China-Strategie
Das hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in einer gemeinsamen Anstrengung der Außen- und Wirtschaftspolitiker versucht. Schon der Titel „Souveränität aus eigener Stärke – Eckpfeiler einer neuen China-Politik“ verdeutlicht diesen Anspruch. Dazu gilt es die Widersprüche in der chinesischen Zielsetzung zu erkennen, und diese liegen klar im sozialen Bereich, der eine Abhängigkeit vom Handel und der wirtschaftlichen Entwicklung bedeutet. Dabei darf man nicht blauäugig sein: Die Kommunistische Partei hat nicht zuletzt im Krieg gegen die Ukraine, aber auch in ihrem Kampf gegen Covid bewiesen, dass sie irrational handeln kann und wirtschaftliche Schäden getrost in Kauf nimmt. Aber auch für Peking ist nicht jede Entscheidung eine grundsätzliche, ideologische. Und so ist die Handelspolitik und eng damit verbunden die Exportkontrolle und die durchaus auch mal exklusive Diversifizierung eigener Lieferketten ein Ansatz, der viel Verhandlungsspielraum produzieren kann. Umso mehr, wenn die EU unter deutscher Führung geeint und abgestimmt auftreten würde und so Instrumente wie Anti-Coercion-Mechanismen rascher eingeführt würden.
Hinzu kommt: Ehrlicherweise müssen aus der leider oftmals erfolgreichen russischen Politik nach dem Prinzip „Minimaler Einsatz, maximaler Aufwand für die anderen“ Schlüsse gezogen werden. Der Westen muss in der Lage sein, Misserfolge für die chinesische Außenpolitik zu produzieren und zu provozieren. Es gibt keinen Grund, Chinas regelwidrigem Verhalten in Staaten wie Myanmar freien Lauf zu lassen oder chinesische Vorhaben in den Vereinten Nationen nicht aktiv zu sabotieren. Wo China gegen die internationale Ordnung arbeitet, muss für dieses Vorgehen der Preis erhöht werden – damit Verhandlungen auf Augenhöhe wieder möglich sind. Zu diesen gehören die deutsch-chinesischen Regierungsverhandlungen übrigens nicht, denn da freuen sich beide Regierungen schon auf der ersten Seite, dass Deutschland seine Emissionen reduziert, China diese aber bis 2030 nach Gutdünken erhöhen kann. Die chinesischen Verhandler werden auf dem Heimflug herzlich gelacht haben.
Jürgen Hardt
ist seit 2015 außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1992 bis 1998 war er in der CDU-Bundesgeschäftsstelle als Abteilungsleiter für Sozialpolitik und Büroleiter des Generalsekretärs Peter Hintze tätig. Von 1999 bis 2001 arbeitete er als Referent für Europapolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 1981 trat er in die CDU ein und bekleidete von 1987 bis 1989 das Amt des Bundesvorsitzenden des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS).
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