“Quo vadis, CDU?” – Impuls 12: „Den jun­gen Men­schen eine Stim­me geben.“ Das bezwe­cken Kim Thy Tong, Mer­ve Gül und David Kirsch mit ihrem offe­nen Brief an die Par­tei­vor­sit­zen­de. Sie prä­sen­tie­ren einen bun­ten Strauß an Ideen, wie man die jun­ge Genera­ti­on aktiv in Par­tei- und Stif­tungs­ar­beit ein­bin­den kann. Sie schla­gen kon­kre­te Schrit­te vor, um digi­ta­le Bil­dung in Schu­le und Aus­bil­dung zu brin­gen. Dar­über hin­aus geben sie Denk­an­stö­ße für die Poli­tik­fel­der, in denen sie sich sel­ber beruf­lich und poli­tisch bewegen.

Wir wen­den uns an den Vor­stand unse­rer Par­tei. Das machen wir, weil wir möch­ten, dass die CDU auch in den kom­men­den Jahr­zehn­ten eine attrak­ti­ve Volks­par­tei wird, die die jun­gen Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler für ihre Poli­tik begeis­tern kann. Bis dahin, so den­ken wir, muss sich noch eini­ges ändern. Wir sind bereit dar­an mit­zu­ar­bei­ten und möch­ten durch die­sen offe­nen Brief ein Gefühl für den Zeit­geist ver­mit­teln sowie Ideen ein­brin­gen, die wir anhand unse­rer eige­nen Lebens­wirk­lich­keit erör­tert haben. Wir glau­ben, dass wir mit die­ser Mei­nung nicht alle, aber einen gro­ßen Teil der jun­gen Genera­ti­on in die­sem Land repräsentieren.

Wir sind eine kos­mo­po­li­ti­sche Generation

Living young, wild and free. So beschrei­ben Snoop Dogg & Wiz Kha­li­fa feat. Bru­no Mars unse­re Lebens­art in ihrem Song. Und es stimmt. Denn uns jun­gen Deut­schen steht die Welt ziem­lich offen. Schon früh stre­cken wir unse­re Füh­ler über die natio­na­len Gren­zen hin­aus. Wir sind oft­mals Teil eines Schü­ler­aus­tauschs, wir machen Aus­lands­se­mes­ter, Aus­lands­prak­ti­ka oder ver­brin­gen eine gewis­se Zeit unse­rer beruf­li­chen Aus­bil­dung im Aus­land. Wir tan­zen zu Bey­on­cé und Net­ta Bar­zi­lai, schau­en aus­län­di­sche TV-Shows über Krie­ge, Intri­gen und mensch­li­che Abgrün­de in den sie­ben Königs­lan­den von Wes­teros und wis­sen um die Rol­le von Ethik und die Macht von Digi­ta­li­sie­rung durch Seri­en wie das bri­ti­sche Sci­ence-Fic­tion Net­flix-High­light Black Mir­ror. Wir rei­sen um die Welt und sehen mit eige­nen Augen, wie es um den Zustand unse­rer Erde steht: Wenn wir beim Tau­chen nur tote, grau-brau­ne Koral­len­rif­fe fin­den. Wenn wir neben frisch gestran­de­tem Plas­tik­müll in der Son­ne lie­gen. Wenn wir uns beim Wan­dern durch Wäl­der und Wie­sen kaum aus­ma­len kön­nen, wie hart es für vie­le Men­schen des glo­ba­len Südens sein muss. Wie es sich anfühlt, in bren­nen­der Hit­ze unter unter­ent­wi­ckel­ten land­wirt­schaft­li­chen Bedin­gun­gen zu einem Hun­ger­lohn zu arbei­ten, wäh­rend wir in unse­ren Super­märk­ten nach täg­li­chen Ange­bo­ten jagen. Gleich­zei­tig wol­len wir unse­re Lebens­art nicht von Grund aus ändern. Wir sind Befür­wor­ter einer Leis­tungs­ge­sell­schaft und genie­ßen die Früch­te einer flo­rie­ren­den Wirt­schaft. Aber wir wis­sen auch: wir brau­chen neue Lösun­gen, damit wir nicht die Ein­zi­gen blei­ben, die sich die­sen Luxus erlau­ben kön­nen. Wir sind davon über­zeugt, dass Lösun­gen sich nicht in Ver­bo­ten wider­spie­geln dür­fen, weil die­se die Men­schen demo­ti­vie­ren und rück­schritt­lich sind. Statt­des­sen sehen wir die Not­wen­dig­keit von Inves­ti­tio­nen in neue Inno­va­ti­on und Tech­nik. Wir möch­ten nicht weni­ger mobil sein, son­dern kli­ma­freund­li­cher mobil wer­den. Wir brau­chen Mut, aber noch drin­gen­der finan­zi­el­le Mit­tel für die exis­tie­ren­den, unkon­ven­tio­nel­len und dis­rup­ti­ven Ideen jun­ger Unter­neh­me­rin­nen und Unternehmer.

Gleich­zei­tig for­dern wir aber auch bezahl­te Prak­ti­ka, damit auch das flei­ßi­ge Arbei­ter­kind sich ein Prak­ti­kum in einer ande­ren Stadt oder im Aus­land leis­ten kann, um sei­ne Chan­cen auf dem Arbeits­markt zu erhö­hen. Leis­tungs­fä­hig­keit darf sich nicht am Porte­mon­naie der Eltern mes­sen las­sen. Genau­so wenig soll­ten unse­rer Mei­nung nach allein ange­hen­de Aka­de­mi­ker geför­dert wer­den. Wir wol­len die Distanz zwi­schen Aka­de­mi­kern und sol­chen, aus nicht-aka­de­mi­schen Berufs­fel­dern ver­rin­gern. Ein ers­ter Schritt wäre, die­se aktiv als Teil der Begab­ten­för­de­rung der gro­ßen Stif­tun­gen auf­zu­neh­men, da sie die ideel­le und gesell­schaft­li­che Debat­te prä­gen würden.

Wir möch­ten über Fair­ness spre­chen, über eine Art des Wirt­schaf­tens, die dem Men­schen die­nen muss und nicht anders­her­um. Wir befür­wor­ten Wirt­schafts­wachs­tum, sofern es allen Betei­lig­ten der Wirt­schafts­ket­te auf eine gerech­te Art und Wei­se zugu­te­kommt. Wir füh­len uns der CDU ver­bun­den, weil christ­lich-demo­kra­ti­sche Poli­tik immer für eine bür­ger­li­che und unter­neh­me­ri­sche Frei­heit in sozia­ler Ver­ant­wor­tung stand. Die­se Ver­ant­wor­tung müs­sen wir heu­te glo­ba­ler betrach­ten, als noch vor 70 Jah­ren. Die­ses Bewusst­sein hat sich in unse­rer Genera­ti­on über Jah­re verfestigt

Wir stel­len uns den Her­aus­for­de­run­gen einer diver­sen Gesellschaft

Deutsch­land ist nicht mehr das, was es mal war. Und das ist voll­kom­men in Ord­nung, sofern wir in der Lage sind, unse­re Gesell­schaft ent­lang unse­rer Wert­vor­stel­lun­gen aktiv mit­zu­ge­stal­ten. Kul­tu­rel­le Viel­falt hat vie­le posi­ti­ve Sei­ten, da sie uns lite­ra­risch, sprach­lich, phi­lo­so­phisch und kuli­na­risch berei­chert. Aber wir dür­fen auch die Her­aus­for­de­run­gen, die Viel­falt mit sich bringt, nicht aus fal­scher Tole­ranz aus­blen­den. Es gibt auf die­ser Welt unter­schied­li­che Mei­nun­gen zu Wer­ten und der Art des Lebens. 2019 fei­ern wir in Deutsch­land das 70-jäh­ri­ge Bestehen unse­res Grund­ge­set­zes, das uns unser Leben in Frei­heit und Sicher­heit in einem Rechts­staat gewähr­leis­tet. Gleich­zei­tig gibt es unzäh­li­ge Kon­flik­te auf die­ser Welt.

Wir müs­sen uns bewusst sein, dass wir durch Migra­ti­on auch neue Kon­flikt­li­ni­en in das gesell­schaft­li­che Mit­ein­an­der brin­gen. Wäh­rend man sich vor 30 Jah­ren beim Abend­brot noch über ein paar Wes­si und Ossi Vor­ur­tei­le aus­tausch­te, geht es heut­zu­ta­ge in vie­len Haus­hal­ten in Deutsch­land häu­fi­ger um die Tür­kei und die Kur­den­fra­ge, um die wach­sen­den Natio­na­lis­men der unter­schied­li­chen Eth­ni­en im Bal­kan oder um den Kon­flikt zwi­schen Isra­el und Paläs­ti­na. Dis­kus­sio­nen, die oft­mals nur zu Hau­se geführt wer­den und auf der Schul­bank kei­ne Beach­tung fin­den. Wir glau­ben, dass sich die The­men einer glo­ba­li­sier­ten Welt mit einer immer bun­ter wer­den­den Gesell­schaft, sich auch in unse­rem Schul­cur­ri­cu­lum wie­der­fin­den müs­sen. Wir brau­chen offe­ne und mode­rier­te Debat­ten mit auf­klä­re­ri­schem Cha­rak­ter, der den­noch unter­schied­li­che Per­spek­ti­ven zulässt. Ansons­ten lau­fen wir Gefahr, aus­län­di­sche Kon­flik­te im eige­nen Land von klein auf zu integrieren.

Men­schen bege­ben sich auf lebens­ge­fähr­li­che Wan­de­run­gen, um poli­ti­schen sowie wirt­schaft­li­chen Unfrei­hei­ten zu ent­flie­hen. Dabei ist Euro­pa oft­mals das Wunsch­ziel. Und das soll­ten wir nicht als Gefahr, son­dern als Zuspruch ver­ste­hen. Wir soll­ten uns als Euro­pa wie­der auf unse­re Stär­ken besin­nen statt nur über unse­re Schwä­chen zu spre­chen. Euro­pa muss unse­re Lebens­art in der Welt reprä­sen­tie­ren und für unse­re Über­zeu­gun­gen wer­ben. Ja, wir sind als EU noch young, auch manch­mal ziem­lich wild, aber vor allem sind wir free. Eine Frei­heit und eine Lebens­art, die wir heut­zu­ta­ge ins­be­son­de­re gegen­über unse­ren ame­ri­ka­ni­schen und chi­ne­si­schen Part­nern deut­li­cher ver­tre­ten müs­sen, wenn es um ethi­sche Fra­gen bezüg­lich der künst­li­chen Intel­li­genz oder des Frei­han­dels geht. Die deut­sche und euro­päi­sche Außen- und Sicher­heits­po­li­tik muss wie­der volks­nah und glaub­wür­dig dis­ku­tiert wer­den. Nur wer die welt­wei­ten Kon­flik­te und die Gefah­ren gegen­über unse­rer frei­heit­li­chen Wer­te und unse­rem Ver­ständ­nis von Men­schen­rech­ten ver­steht, kann den Ein­satz unse­rer Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten im Aus­land nach­voll­zie­hen und ver­ste­hen, für was sie täg­lich bereit sind, ihr Leben zu riskieren.

Wir leben auch in den sozia­len Medien

In den letz­ten Tagen war die Rede von Mei­nungs­ma­che. Wir glau­ben, dass ein­sei­ti­ge Mei­nungs­ma­che nur mög­lich ist, wenn es kei­ne guten Gegen­ar­gu­men­te gibt. Oft­mals schei­tert es schon an der Medi­en­kom­pe­tenz im Bereich der neu­en Medi­en. You­tube, Face­book, Twit­ter, Insta­gram und Co müs­sen end­lich als ernst­zu­neh­men­de Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­en aner­kannt wer­den. Das bedeu­tet aber folg­lich, sich auf sol­chen Platt­for­men der poli­ti­schen Debat­te zu stel­len und nicht nur auf das Face to Face bei der nächs­ten offe­nen Kreis­vor­stands­sit­zung im uri­gen Bier­kel­ler hin­zu­wei­sen (nichts gegen uri­ge Bier­kel­ler — wir lie­ben sie). Wir ver­brin­gen viel Zeit in den sozia­len Medi­en und erwar­ten auch von den Par­tei­en, die uns ver­tre­ten, akti­ve Prä­senz und eine Aus­ein­an­der­set­zung mit ihren Skeptikern.

Wir wol­len Par­ti­zi­pa­ti­on von allen Kontinenten

Vie­le unter uns blei­ben heut­zu­ta­ge nicht mehr jahr­zehn­te­lang an einem Ort, geschwei­ge denn bei einem Arbeit­ge­ber. Eine zuneh­mend glo­bal agie­ren­de Wirt­schaft bringt auch ihre Arbeit­neh­mer an unter­schied­li­che Orte. Da wir unser poli­ti­sches Enga­ge­ment und unse­re Erfah­run­gen wei­ter­hin par­tei­po­li­tisch ein­brin­gen möch­ten, for­dern wir moder­ne Wege der Par­ti­zi­pa­ti­on. Wir möch­ten uns online ein­brin­gen, eben­so das Recht haben, als Online-Grup­pie­rung Anträ­ge ein­zu­brin­gen. Die Struk­tu­ren unse­rer Par­tei müs­sen nicht gänz­lich ver­än­dert wer­den. Sie brau­chen aber eine Erwei­te­rung und eine Moder­ni­sie­rung, um den heu­ti­gen Lebens­um­stän­den gerecht zu wer­den. Die CDU war stets die Par­tei des Fort­schritts und der Frei­heit in sozia­ler Ver­ant­wor­tung. Dar­an muss sie sich auch in die­sen Tagen wie­der stär­ker erin­nern.

Das wün­schen wir uns von unse­rer Par­tei. Des­halb lie­fern wir die­se Gedan­ken­an­stö­ße. Wir glau­ben an die Grund­über­zeu­gun­gen der Christ­lich Demo­kra­ti­schen Uni­on und sind bereit, an der prak­ti­schen Umset­zung mit­zu­ar­bei­ten: Um eine Volks­par­tei zu sein, die alle Tei­le der Gesell­schaft reprä­sen­tiert — unab­hän­gig von Alter, Geschlecht, Her­kunft oder Ein­kom­mens­schicht. Um Bewähr­tes zu bewah­ren und sich dem Fort­schritt unse­rer Zeit anzu­pas­sen. Um für Deutsch­land und Euro­pa zu arbeiten.

 

Der Text ging der CDU-Par­tei­vor­sit­zen­den als offe­ner Brief zu. Ihm haben sich meh­re­re Mit­un­ter­zeich­ner angeschlossen.

 

Mer­ve Gül (@Moerv_vom_doerf)

ist Refe­ren­da­rin am Land­ge­richt Stutt­gart, Mit­glied im ThinkTank30, dem jun­gen Able­ger der Deut­schen Gesell­schaft des Club of Rome und war Sti­pen­dia­tin sowie Spre­che­rin des Jugend­bei­rats der Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung. Sie gilt als Mul­ti­pli­ka­to­rin in den migran­ti­schen Com­mu­nities und setzt sich ins­be­son­de­re für Chan­cen­gleich­heit ein.

Kim Thy Tong (@KimThyTong)

ist stell­ver­tre­ten­de Bun­des­vor­sit­zen­de der Jun­gen Christ­lich-Demo­kra­ti­schen Arbeit­neh­mer­schaft (JCDA). Sie arbei­tet als wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin im Deut­schen Bun­des­tag und ist Absol­ven­tin der Her­tie School of Gover­nan­ce mit einem For­schungs­schwer­punkt in den EU-Asi­en-Bezie­hun­gen. Kim Thy war Sti­pen­dia­tin der Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung (KAS) und begann ihr poli­ti­sches Enga­ge­ment in der JU und CDU sowie als Mit­glied des Arbeits­krei­ses Jun­ge Inte­gra­ti­ons­po­li­ti­ker der KAS. Sie war Spre­che­rin des Jugend­bei­rats der KAS und ist Mit­glied bei der Initia­ti­ve Jun­ge Trans­at­lan­ti­ker sowie Polis180.

David Kirsch (@realDKirsch)

ist vor zwei Jah­ren von Wien nach Ber­lin gezo­gen. Seit­dem hat er etwas mit der CDU zu tun. Er stu­diert War & Con­flict Stu­dies an der Uni­ver­si­tät Pots­dam und inter­es­siert sich beson­ders für Außen- und Sicher­heits­po­li­tik. Momen­tan arbei­tet er bei PwC im Bereich Digi­ta­li­sie­rung und wirkt er als Chef­re­dak­teur von “Trans­at­lan­tic Takes” — dem Blog der Initia­ti­ve Jun­ge Transatlantiker.