“Quo vadis, CDU?” – Impuls 10: Susan­ne Zels weiß nach ihrem Euro­pa­wahl­kampf: Es wird schwer für die CDU die Jugend zurück­zu­ge­win­nen. Doch sie zeigt Wege auf, wie dies ange­gan­gen wer­den kann.

In einer sich pola­ri­sie­ren­den Gesell­schaft und zer­split­ter­ten Par­tei­en­land­schaft kommt der letz­ten ver­blei­ben­den Volks­par­tei eine beson­ders wich­ti­ge Rol­le zu. Die CDU muss die Pole zusam­men­hal­ten. Nur hat die Euro­pa­wahl gezeigt, dass sie längst nicht mehr alle Pole erreicht. Die Ris­se in unse­rer Gesell­schaft ver­lau­fen an ver­schie­de­nen Fron­ten, eine davon zwi­schen jung und alt. Das ins­ge­samt ent­täu­schen­de Ergeb­nis der Euro­pa­wahl wiegt beson­ders schwer bei den Jung­wäh­lern. Nur noch 13 Pro­zent der unter 30-jäh­ri­gen haben die CDU gewählt. Damit sind wir zwar zweit­stärks­te Kraft bei die­ser Wäh­ler­grup­pe, die Grü­nen haben uns aber mit 33 Pro­zent weit hin­ter sich gelas­sen. Wie kön­nen wir die Jugend also wie­der für uns gewin­nen und ein Poli­tik­an­ge­bot schaf­fen, dass alle Genera­tio­nen anspricht? Bei wel­chen The­men haben wir die Jugend verloren? 

Jun­ge Deut­sche sind star­ke Befür­wor­ter der Euro­päi­schen Uni­on. Die CDU bezeich­net sich zwar als die Euro­pa­par­tei, aber in den ver­gan­ge­nen Jah­ren sind wir neben dem Aktio­nis­mus des fran­zö­si­schen Prä­si­dent Emma­nu­el Macron statt als Trei­ber viel­mehr als Brem­ser euro­päi­scher Pro­jek­te auf­ge­fal­len. Bei Schul­dis­kus­sio­nen woll­ten die Schü­ler nicht recht wahr haben, dass ich mich als CDU-Kan­di­da­tin für das Euro­päi­sche Par­la­ment gar zu der lang­fris­ti­gen Visi­on eines euro­päi­schen Föde­ral­staats beken­ne und zu oft hat­te ich den Ein­druck, dass ich Über­ra­schung in den Augen mei­ner Zuhö­rer und Mit­dis­ku­tan­ten sah, wenn ich mich als glü­hen­de Euro­päe­rin prä­sen­tier­te. Zu durch­mischt waren unse­re Bot­schaf­ten im Euro­pa­wahl­kampf. Als letz­te deut­sche Par­tei prä­sen­tier­ten wir unser Wahl­kampf­pro­gramm. Dar­in ver­säum­ten wir es nach kri­sen­be­haf­te­ten Jah­ren in der EU Auf­bruchs­stim­mung oder neue Lösungs­we­ge für fest­ge­fah­re­ne Pro­ble­me zu prä­sen­tie­ren. Wer jun­ge über­zeug­te Euro­pä­er für sich gewin­nen möch­te, muss ein kla­res Bild der Zukunft Euro­pas zeich­nen. Ein Bild das begeis­tert und eines das Hoff­nung schenkt, glo­ba­le Her­aus­for­de­run­gen, wie Kli­ma­wan­del und Migra­ti­on, zu bewäl­ti­gen. In den Rei­hen mei­ner Par­tei höre ich immer wie­der den Ver­weis dar­auf, dass wir Deut­schen glo­ba­le Pro­ble­me nicht allei­ne wer­den lösen kön­nen. Das ist rich­tig, doch müs­sen wir über­zeu­gen­der dar­in wer­den, dass wir die­se mit unse­ren euro­päi­schen und inter­na­tio­na­len Part­nern gemein­sam lösen wollen. 

Es liegt in der Natur der Din­ge, dass staats­tra­gen­de Par­tei­en mode­rie­ren­de Cha­rak­te­re, wie Ange­la Mer­kel und Man­fred Weber, her­vor­brin­gen. Doch in schnell­le­bi­gen Zei­ten wün­schen sich vie­le Wäh­ler kla­re Bekennt­nis­se, die Ori­en­tie­rung geben. Wohin die CDU jedoch mit Euro­pa steu­ert, ist bei die­sem Wahl­kampf lei­der unklar geblieben.

Neben Euro­pa bewegt vie­le jun­ge Wäh­ler der Kli­ma­wan­del. Seit­dem klar ist, dass wir die selbst­ge­setz­ten Kli­ma­schutz­zie­le 2020 nicht errei­chen wer­den, ist der CDU trotz Kli­ma­kanz­le­rin die Glaub­wür­dig­keit in die­sem Poli­tik­feld abhan­den­ge­kom­men. Auch hier prä­sen­tiert sich die CDU weni­ger als Trei­ber, son­dern als Getrie­be­ne. Kli­ma­schutz­ver­bän­de beschwe­ren sich über feh­len­de Ansprech­part­ner bei der Uni­on. Nie­mand möch­te sich dem The­ma so recht anneh­men, denn es ist kein Gewin­ner­the­ma für Unio­nis­ten. Dis­kus­si­on zu Kli­ma­schutz­po­li­tik wer­den gemie­den. Anstatt die Fri­days-for-Future-Pro­tes­te ernst zu neh­men, dis­ku­tiert man über die Schulpflicht.

Öko­lo­gie und Öko­no­mie ver­söh­nen, so lau­tet das erklär­te Ziel. Nur neh­men die Wäh­ler einem die­se Ziel­set­zung nicht ab. Dabei liegt gera­de in der aner­kann­ten Wirt­schafts­kom­pe­tenz der Uni­on eine Chan­ce sich als ein­zi­ge Par­tei zu prä­sen­tie­ren, die Kon­zep­te für nach­hal­ti­ges Wachs­tum gemein­sam mit der Wirt­schaft erar­bei­ten kann. Hier­für müss­te dem The­ma jedoch inner­halb der Par­tei­struk­tu­ren das nöti­ge Gewicht und eine Platt­form zur Erar­bei­tung genau die­ser Kon­zep­te ein­ge­räumt wer­den. Denn kei­ne der Ver­ei­ni­gun­gen der CDU nimmt sich dem aktu­ell an. Anträ­ge zu Kli­ma­schutz wer­den hin­ten­an­ge­stellt und im Zwei­fel ver­tagt. Wer all­zu laut über Kli­ma­schutz strei­tet, wird schnell als ver­kapp­ter Grü­ner ver­schrien. Viel­leicht braucht es einen Par­tei­tag der Kli­ma­schutz ganz oben auf die Agen­da setzt und somit einen Auf­takt zur inter­nen Dis­kus­si­on bie­tet. Dar­über hin­aus ist sicher­lich viel Arbeit an der Basis not­wen­dig, damit Kli­ma­schutz­de­bat­ten nicht immer wie­der in einem Ver­weis auf den Atom­aus­stieg versanden.

Ein wei­te­res The­ma, dass mich auf jeder Schul­dis­kus­si­on wäh­rend des Wahl­kamp­fes beglei­tet hat, ist die Digi­ta­li­sie­rung. Durch die Urhe­ber­rechts­re­form ist viel Ver­trau­en ver­lo­ren gegan­gen. Trotz tau­sen­der Men­schen auf der Stra­ße und Mil­lio­nen Peti­ti­ons­un­ter­schrif­ten wur­de die euro­päi­sche Richt­li­nie mit dem kon­tro­ver­sen Arti­kel 13 ver­ab­schie­det. Auch gegen die laut­star­ken Pro­tes­te der eige­nen Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on. Der Ver­weis auf Bots und Angst­ma­che­rei der Platt­form­be­trei­ber hat gro­ßes Unver­ständ­nis hin­ter­las­sen. Die Schock­star­re nach dem You­tuber und Influ­en­cer sich gegen die CDU aus­ge­spro­chen haben ver­stär­ken den Ein­druck, dass für die CDU das Inter­net wei­ter­hin Neu­land ist. In den Augen vie­ler Jugend­li­cher haben die Äuße­run­gen Anne­gret Kramp-Kar­ren­bau­ers zu not­wen­di­gen Regeln für digi­ta­le Mei­nungs­ma­che die Angst um die Frei­heit im Netz voll­ends bestä­tigt. Mit dem C‑Netz gibt es zwar einen haus­ei­ge­nen Think­tank der sich der Digi­ta­li­sie­rung wid­met und der die Par­tei­spit­ze berät, doch nimmt man die CDU in der Öffent­lich­keit sel­ten bei Digi­tal­the­men wahr. Außer­dem ist der Frust über schlech­te Netz­ab­de­ckung und ‑geschwin­dig­kei­ten groß und wird nach vie­len Jah­ren der Regie­rungs­füh­rung im Infra­struk­tur­res­sort der CDU zugeschrieben.

Das Resü­mee ist ernüch­ternd: Es wird schwer wer­den, jun­ge Wäh­ler wie­der für sich zu gewin­nen. Der Jun­gen Uni­on wird hier­bei eine her­vor­ge­ho­be­ne Rol­le zukom­men müs­sen, wes­halb sie stark ein­ge­bun­den wer­den soll­te in eine not­wen­di­ge Jugend­of­fen­si­ve. Der Vor­schlag des JU-Bun­des­vor­sit­zen­den, Til­man Kuban, einen Jugend­par­tei­tag aus­zu­rich­ten könn­te hier­für einen wich­ti­gen ers­ten Bau­stein bil­den. Neben struk­tu­rel­len Fra­gen zur Par­tei­kom­mu­ni­ka­ti­on, soll­te bei einer sol­chen Offen­si­ve ins­be­son­de­re die Pro­gram­ma­tik bei den oben genann­ten The­men unter die Lupe genom­men wer­den. Anstatt sich von Fri­days-for-Future und You­tubern abzu­gren­zen, soll­ten wir die­se bei der kri­ti­schen Reflek­ti­on unse­res poli­ti­schen Ange­bots anhö­ren und ein­bin­den. Nicht­zu­letzt gilt es bei Zukunfts­the­men das eige­ne jun­ge Per­so­nal stär­ker ein­zu­bin­den. Die Beset­zung des Gene­ral­se­kre­tärs­pos­tens mit Paul Zie­mi­ak war des­halb ein guter ers­ter Schritt.

Ich wün­sche mir vor allem in Bezug auf die Euro­pa­po­li­tik der Uni­on mehr Mut zu Bekennt­nis­sen wie wir sie bei der Visi­on für eine Euro­päi­sche Armee von Ange­la Mer­kel ver­nom­men haben. Gera­de die­se Idee hat viel Begeis­te­rung bei Jugend­li­chen im Euro­pa­wahl­kampf her­vor­ge­ru­fen. Mein Fazit ist daher, dass wir uns mehr lang­fris­ti­ge Zie­le set­zen und auch Visio­nen trau­en müssen.

 

Susan­ne Zels

kan­di­dier­te 2019 als Spit­zen­kan­di­da­tin der Jun­gen Uni­on Ber­lin und auf Lis­ten­platz 3 der CDU Ber­lin für das Euro­päi­sche Par­la­ment. Sie arbei­tet beim Bun­des­ver­band der Ener­gie- und Was­ser­wirt­schaft als Pro­jekt­ma­na­ge­rin und pro­mo­viert zur euro­päi­schen Stra­te­gie zum Schutz kri­ti­scher Infra­struk­tu­ren. Als Co-Prä­si­den­tin von Polis180, einem Ber­li­ner Think­Tank für Außen- und Euro­pa­po­li­tik, enga­giert sie sich außer­dem zivil­ge­sell­schaft­lich für eine kon­struk­ti­ve Europapolitik.