Quo vadis, CDU?
CIVIS mit Sonde hat Ende Mai 2019 – nach der Europawahl – ein Online-Symposium zur Zukunft der CDU gestartet. Wir haben Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Strömungen und Ebenen der Partei gebeten, ihre Impulse mit uns zu teilen.
CDU zu wählen, ist nicht cool. Das hat die Europawahl gezeigt. Nun ist die Coolness einer Partei im politischen Wettbewerb bisher keine entscheidende Kategorie gewesen. Doch wenn mangelnde Coolness in der Art der Vermittlung einhergeht mit mangelnder Zukunftsfähigkeit in den Inhalten – dann steht es wirklich nicht gut.
Die Union wirkte zuletzt zu häufig eher wie eine Gegen-Partei: gegen Grundrente, gegen Klimaschutz, gegen Schülerproteste. Das mag alles seine (guten) Gründe gehabt haben. Eine zukunftsfähige Partei ist jedoch eine Für-Partei: für soziale Gerechtigkeit, für die Bewahrung der Schöpfung, für Meinungsfreiheit. Politische Coolness ist nicht, gelassen den Dingen ihren Lauf zu lassen oder gegen Veränderungen anzukämpfen, sondern sie mit ambitionierten Zielen zu gestalten. Cool ist, wer Cooles tut! Und nicht, wer bloß davon redet.
Es ist kein Seitenhieb, sondern die Realität: Die Union ist aktuell die einzig verbliebene Volkspartei. Als Anhänger der parlamentarischen Demokratie betrachten wir das übrigens weniger mit Häme denn mit gemischten Gefühlen. Eine parlamentarische Demokratie braucht stabile Mehrheiten. Und die werden durch Parteien organisiert, die ein Parlament entscheidungsfähig machen und infolgedessen auch eine stabile Regierung zu stützen vermögen. Idealerweise eben durch Volksparteien.
In einer “Gesellschaft der Singularitäten”, wie ein aktueller Buchtitel lautet, wird es auch politisch immer schwieriger, gesellschaftliche Wünsche und Interessen zusammenzubinden. Das ist eine Herausforderung für eine Volkspartei. Sie zu meistern, bedarf rhetorischer Disziplin, intellektueller Stringenz und charismatischer Führung. Dem Führungspersonal wie den Mitgliedern verlangt das ab, sich im innerparteilichen Wettstreit in Toleranz zu üben und über die Grenzen der Parteimitglieder hinaus zu wirken. Nach der gewinnbringenden parteiinternen Auseinandersetzung um den Parteivorsitz muss die CDU nun wieder mehr von der Mitte der Gesellschaft aus in die die Mitte der Gesellschaft hinein wirken.
“Quo vadis, CDU?” lautet der Titel dieses Online-Symposiums. So lautete auch der oben gezeigte Titel auf dem Cover der ersten CIVIS-Ausgabe nach dem Relaunch vor 5 Jahren. Das zeigt: Die Standort- und Zielbestimmung ist ein nie endender Prozess. Bei aller Fokussierung des Titels und der Debatte auf Union und CDU, sollte das primäre Ziel der politischen Debatte nie aus dem Blick geraten: Es geht nicht um bloße Selbstbeschäftigung – die CDU muss dem Land dienen, so wie sie es seit 70 Jahren tut. Deswegen lautet die Leitfrage einer Debatte über die Zukunft der Union aus unserer Sicht: Mit welchen Ideen kann die CDU bestmöglich zum Erfolg Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger beitragen?
Wir sprechen uns dabei gegen Denkverbote aus. Die – und eine Gleichschaltung – gab es im Übrigen auch nie. Wir Unionsmitglieder sind nur vielleicht manchmal intellektuell ein wenig bequem geworden, die Dinge immer wieder neu und vertieft zu denken. Neue Zeiten brauchen aber neue Antworten. Alte Mantras und Feindbilder – “Kapitalismus vs. Sozialismus” und ähnliche – helfen dabei nicht weiter. Sie finden in der Breite der Bevölkerung auch keinen Anklang mehr. Politiker und Parteien dürfen den Bürgerinnen und Bürgern ruhig mehr zutrauen.
In diesem Sinne versuchen wir, die Redaktion von CIVIS mit Sonde, sowohl auf diesem Blog als auch in unserem Heft einer breiten Debatte Raum zu geben. So wie es sich für die Debatte innerhalb einer Volkspartei gehört. Weder machen wir uns die wiedergegebenen Positionen zu eigen. Noch beanspruchen wir für uns, hier die gesamte Bandbreite der Debatte abbilden zu können. Umso dankbarer sind wir für alle Reaktionen und auch für weitere Beitrags- und Replikentwürfe an debatte@civis-mit-sonde.de. Um es mit Cicero zu sagen: “Quid ad haec cogitas respondere?”
Berlin, 31. Mai 2019
Die Redaktion
Die Impulse im Überblick
Impuls 1: CDU, disrupt yourself! – Joachim Koschnicke
Impuls 2: Die Volkspartei der Mitte: Nicht nach rechts blinken – Matthias Zimmer
Impuls 3: Für eine neue bürgerliche Progressivität – Karin Prien
Impuls 4: Lächeln, etwas Liebe und ein Sprung der CDU – Oliver Fraederich
Impuls 5: Nach der Schicksalswahl für die Union: An der Basis rumort es gewaltig – Andreas Hamacher
Impuls 6: Wie wir unsere Zukunft als Volkspartei sichern können – Kai Whittaker
Impuls 7: Digital, Lebensnah und dem Bürger verpflichtet – Junge Vorschläge für eine Volkspartei – Anna Lüdcke
Impuls 8: Mehr Macht der Jugend – Henrik Wärner
Impuls 9: Konservativ in der Sache, dynamisch in der Kommunikation – Finn Hänsel
Impuls 10: Wie wir die Jugend zurückgewinnen – von Europa für den Bund lernen – Susanne Zels
Impuls 11: Besinnung auf bürgerliche Themen ist kein Rechtsruck –Melanie Bernstein
Impuls 12: Young, wild and free – Kim Thy Tong, Merve Gül und David Kirsch
Impuls 13: Mehr Profil, Klartext und Realismus – Carlo Masala
Impuls 14: Paint it black! – Nicolas Sölter
Impuls 15: Miteinander anpacken statt übereinander reden – Alexander Dierks
Impuls 16: Sind wir auf die zukünftigen Herausforderungen hinreichend vorbereitet? – Andreas Nick
Impuls 17: Alles unter Kontrolle? – Henrique Laitenberger
Impuls 18: Evolution statt Revolution? – Uwe Schummer