»Frauen, Frieden und Sicherheit«Feministische Außenpolitik und die nötigen Debatten
- Civis
- 17. März
- 4 Min. Lesezeit
von Claudia Zilla

Seit 2014 bekennen sich immer mehr Staaten zu einer feministischen Außenpolitik. Auch Deutschland hat diesen Schritt vollzogen, indem das Auswärtige Amt am 1. März 2023 Leitlinien für eine feministische Außenpolitik veröffentlichte, und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine Strategie für eine feministische Entwicklungspolitik herausgegeben hat. Die Wissenschaftlerin Claudia Zilla betrachtet feministische Außenpolitik als einen normativen Ansatz, der auf Werten und Interessen basiert und eine Perspektiverweiterung darstellt. Dieser Ansatz fördert das kritische Nachdenken darüber, was wir tun, wessen Interessen es dient und auf wessen Kosten es geschieht.
Feministische Außenpolitik bildet einen politischen Rahmen für die Gestaltung des außenpolitischen Handelns von Regierungen sowie der Prozesse und Strukturen innerhalb der Ressorts. Feministische Außenpolitik kann als politisches Projekt verstanden werden, da mit ihr eine Veränderung des Status quo verbunden ist. Ausgangspunkt ist die Diagnose von (nicht nur genderspezifischen) Machtasymmetrien, die ungerecht sind, aber auch den gesellschaftlichen und internationalen Frieden gefährden. Drei »Säulen«, auf denen die verschiedenen nationalen Varianten feministischer Außenpolitik in der Regel basieren, sind richtungsweisend für den angestrebten Politikwandel. Erstens verfolgt feministische Außenpolitik einen Menschenrechtsansatz, der nicht nur auf die Anerkennung und den Schutz von Rechten abzielt, sondern auch darauf, Menschen zu befähigen, ihr Recht auf die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse einzufordern. Zweitens greift feministische Außenpolitik Perspektiven und Forderungen feministischer Ansätze und deren Kritik an patriarchalen Strukturen auf, die der Machthierarchie zwischen den Geschlechtern und darüber hinaus vielfältigen Formen von Diskriminierung und Unterdrückung zugrunde liegen. Drittens berücksichtigt feministische Außenpolitik empirische Erkenntnisse über den Ertrag von Inklusion. Sie stützt sich auf Erfahrungswerte über die positiven Effekte der Einbeziehung von bisher strukturell marginalisierten Personen und Perspektiven in politische Prozesse und Institutionen. In diesem Sinne ist feministische Außenpolitik nicht nur eine wertebasierte, sondern auch eine evidenzbasierte Politik.
Warum sollen diese Aspekte nun auf die Außenpolitik beschränkt bleiben?
Tatsächlich gibt es keinen Politik- oder Gesellschaftsbereich, der frei von patriarchalen Strukturen wäre. Die Außenpolitik ist jedoch – etwa im Vergleich zur Familien- oder Bildungspolitik – ein Politikfeld, das historisch in besonderem Maße männlich dominiert gewesen ist und damit bis heute männliche Perspektiven, Vorstellungen und Erfahrungen privilegiert.
Eine Außenpolitik, die sich als »genderneutral« versteht, reproduziert somit Genderungerechtigkeit, weil sie die unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Perspektiven nicht oder nur unzureichend berücksichtigt.
Feministische Außenpolitik bündelt eine Reihe von Entwicklungen der internationalen Politik – wie die Agenda der Vereinten Nationen »Frauen, Frieden und Sicherheit« (Women, Peace and Security) mit ihren Aktionsplänen, die VN-Frauenrechtskonvention etc. – in einem größeren konzeptionellen Rahmen und macht sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich.
„3R“-Ansatz – Spill-over oder Illusion
Befürworterinnen und Befürworter von feministischer Außenpolitik sehen darin das Potenzial, den normativen Druck zu erhöhen, notwendige, menschlich gebotene, aber oft nur deklaratorisch propagierte Politik endlich umzusetzen. Zum anderen werden positive Übertragungseffekte (Spill-over) auf andere Politikfelder (auch die Innenpolitik) erhofft, so dass jedes Politikfeld als Ansatzpunkt willkommen ist. So wird an einigen Universitäten bereits diskutiert, was feministische Außenpolitik für die internationale Wissenschaftskooperation bedeuten kann. Beide erwünschten Effekte (Kurskorrektur und Übertragungseffekte) haben eine Chance, wenn feministische Außenpolitik über eine Strategie des Gender-Mainstreaming hinausgeht und die fragmentierte Ressortlogik überwindet. Zum einen sollte feministische Außenpolitik nicht auf den sogenannten »3R«-Ansatz reduziert bleiben. Gemeint ist das von Schweden eingeführte und von den deutschen Ressortpapieren zu feministische Außenpolitik und feministische Entwicklungspolitik übernommene dreifache Ziel der Förderung der Rechte und Repräsentation von Frauen sowie der Erhöhung der Ressourcen für gendersensible beziehungsweise gendertransformative Projekte. Wenn feministische Außenpolitik nicht viel mehr wird als ein »3R«-Ansatz – was allerdings keine großen Veränderungen in der gängigen Politik erfordern würde – bleibt der vom Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angestrebte »Kulturwandel« (Leitlinien für eine feministische Außenpolitik) bzw. »systemische Wandel« (Strategie für eine feministische Entwicklungspolitik) eine Illusion.
Zum anderen geht es darum, den Anforderungen an eine feministische Außenpolitik Deutschlands gerecht zu werden. Streng genommen gibt es bisher keine feministische Außenpolitik der Bundesregierung, sondern nur zwei Ressorts, die sich für ihren jeweiligen Geschäftsbereich einen solchen Rahmen gegeben haben. In auswärtigen Angelegenheiten engagieren sich aber auch andere Ressorts – und politische Probleme orientieren sich bekanntlich nicht an Ressortzuständigkeiten. Im Sinne feministischer Erkenntnisse wäre es wichtig, ein stärker systemisches Verständnis der Problemanalyse und -bearbeitung zugrunde zu legen.
Ressortübergreifendes Arbeiten verbinden
Das hieße unter Anderem, feministische Perspektiven mit den »großen und wichtigen« (ressortübergreifenden) Themen der Außenpolitik zu verbinden, und zwar nicht in der verkürzten Form einer schnellen Kompatibilitätsprüfung. Ein Beispiel: Mit der Feststellung, dass Feminismus nicht gleichzusetzen sei mit Pazifismus oder dass zwischen kurz- und langfristigen Zielen unterschieden werden müsse, ist die Diskussion um Waffen- und Rüstungslieferungen in die Ukraine nicht beendet. Umso wichtiger sind in diesem Fall die Fragen, wie feministische Gesichtspunkte eine (militärische) Unterstützung der Ukraine prägen können, welche Rolle Deutschland bei der Aufrüstung anderer Staaten spielen soll, welche Implikationen dies für die deutsche Rüstungsindustrie hat und wie sich im Haushalt das Verhältnis zwischen Ausgaben für Verteidigung und etwa für humanitäre Hilfe gestaltet. Eine ernsthafte, differenzierte und kritische Debatte darüber steht meines Erachtens noch aus.
Dr. Claudia Zilla
ist Senior Fellow der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Sie forscht unter anderem zur Außenpolitik lateinamerikanischer und karibischer Staaten, den deutsch- bzw. europäisch-lateinamerikanischen Beziehungen sowie zu feministischer Außen- und Entwicklungspolitik.
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