“Quo vadis, CDU?” – Impuls 14: Nico­las Söl­ter rät der Uni­on, nicht über die Kon­kur­renz, son­dern über die eige­nen Inhal­te zu reden. Er möch­te die Gefall­sucht über­win­den und die poli­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung suchen. Damit fängt er in den eige­nen Rei­hen an und tritt den Pro­gres­si­ven und Cool Kids der Uni­on entgegen.

Wir Christ­de­mo­kra­ten sol­len uns ja bekannt­lich mehr auf You­Tube tum­meln. Vor kur­zem bin ich dort über ein Inter­view mit Ama­zon-Grün­der Jeff Bezos gestol­pert, der, wahr­schein­lich ohne es zu wis­sen, einen Rat­schlag erteilt hat, wie er für die CDU im aktu­el­len Umfra­gesumpf hilf­rei­cher nicht sein könn­te: Erfolg­lo­se Unter­neh­mer, so Bezos, ver­schwen­den erheb­li­che Ener­gie mit dem Nach­den­ken über ihre Kon­kur­renz. Erfolg­rei­che Unter­neh­mer dage­gen igno­rie­ren ihre Mit­be­wer­ber fast völ­lig. Sie kon­zen­trie­ren sich ganz auf das Wesent­li­che: den Kun­den. Klar, Par­tei­en unter­lie­gen ande­ren Gesetz­mä­ßig­kei­ten als Unter­neh­men und ver­fol­gen (im Ide­al­fall) ande­re, höhe­re Zie­le. Und doch gilt die Bot­schaft auf bei­den Fel­dern: Erfolg hat nicht der, der unent­wegt nach rechts und links schielt, son­dern der mit Lei­den­schaft für sei­ne eige­nen Inhal­te kämpft und den Men­schen glaub­haf­te Ange­bo­te macht.

Wer, wie jüngst Cars­ten Mey­er-Heder, for­dert, die CDU müs­se „grü­ner wer­den“, hat genau die­se Bot­schaft nicht ver­stan­den. Dass die Grü­nen laut ARD-Deutsch­land­trend mitt­ler­wei­le bun­des­weit an der Spit­ze ste­hen, ist die direk­te Fol­ge die­ser feh­len­den Ein­sicht. Es ist rich­tig, dass wir beim Kli­ma­schutz lie­fern müs­sen. Wenn wir „mehr Kli­ma­schutz“ aber mit „grü­ner wer­den“ gleich­set­zen, dann brau­chen wir uns nicht wun­dern, wenn die Leu­te lie­ber das Ori­gi­nal wäh­len. Eben­so wenig soll­ten wir uns die ent­spre­chen­de Welt­un­ter­gangs­rhe­to­rik zu eigen machen. Denn wenn unser Pla­net tat­säch­lich bald brennt, sind dann nicht Arbeits­plät­ze und Strom­prei­se, wie ja bei „Fri­days for Future“ allent­hal­ben zu hören, tat­säch­lich egal? Abso­lu­te Wahr­hei­ten ver­bie­ten jede Abwä­gung. Und wenn eine Volks­par­tei, die ja ihrem Wesen nach unter­schied­li­che Inter­es­sen in einen Aus­gleich brin­gen muss, abso­lu­te Wahr­hei­ten ver­kün­det, klaf­fen auf kurz oder lang unwei­ger­lich Wor­te und Taten aus­ein­an­der. Die­se Lek­ti­on soll­ten wir vier Jah­re nach 2015 doch eigent­lich gelernt haben.

Wer den berech­tig­ten Wunsch nach einem bes­se­ren Kli­ma­schutz nun zum The­ma schlecht­hin für die Uni­on erhebt, über­sieht außer­dem, dass es die Grü­nen bei der Euro­pa­wahl ja kei­nes­wegs auf knapp über 50, son­dern auf knapp über 20 Pro­zent gebracht haben. Die seit Jah­ren anhal­ten­den Ver­lus­te ver­zeich­net die Uni­on in unter­schied­li­che Rich­tun­gen und eben auch zuguns­ten der AfD. Des­halb gilt es, neben dem Bedürf­nis nach mehr Umwelt­schutz auch die sozia­len und kul­tu­rel­len Span­nun­gen in den Blick zu neh­men, die jeder­zeit wie­der mit Wucht in den Fokus der Öffent­lich­keit rücken kön­nen. Karin Pri­ens hier ver­tre­te­ne Ansicht, kon­ser­va­ti­ve Anlie­gen folg­ten einer Sehn­sucht nach einer „hei­len Welt der alten Bun­des­re­pu­blik, die es so nie gab und nicht mehr geben wird“, hal­te ich vor die­sem Hin­ter­grund für fatal. Bei aller gebo­te­nen Welt­of­fen­heit darf eine bür­ger­li­che Par­tei den Wunsch nach kul­tu­rel­ler Gebor­gen­heit nie­mals als irra­tio­nal abtun. Berech­tig­ten Sor­gen dür­fen wir uns hier genau wie beim The­ma Kli­ma­wan­del nicht allein des­halb ver­schlie­ßen, weil sie zum Teil extre­me For­men annehmen.

Vor allem aber müs­sen wir end­lich unse­re Angst vor der poli­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung über­win­den, die oft auch eine Gefall­sucht war. Anstatt Stim­mun­gen im Land im guten Sin­ne zu prä­gen, haben wir über Jah­re auf das gesell­schaft­li­che Kli­ma gestarrt wie das Kanin­chen auf die Schlan­ge. Oft haben wir schließ­lich über­stürzt poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen getrof­fen, die wir im Nach­hin­ein nur mit gro­ßer Mühe in unser inhalt­li­ches Koor­di­na­ten­sys­tem, geschwei­ge denn in so etwas wie eine durch­dach­te Pla­nung haben ein­sor­tie­ren kön­nen. Beim Aus­stieg aus der Kern­kraft war das beson­ders augen­fäl­lig. Dabei haben wir ver­drängt, dass Stim­mun­gen nicht gott­ge­ge­ben, son­dern häu­fig auch das Ergeb­nis pro­fes­sio­nel­ler Kam­pa­gnen und eines Links­dralls der Medi­en sind. Der kol­lek­ti­ve 180°-Schwenk von der Inva­si­on toxi­scher Chlor­hühn­chen durch TTIP hin zur Dämo­ni­sie­rung des ame­ri­ka­ni­schen Pro­tek­tio­nis­mus ist nur eines von vie­len absur­den Bei­spie­len. Wir müs­sen uns end­lich bewusst machen: Wo die öffent­li­che Debat­te in Hys­te­rie umschlägt, hel­fen kei­ne ver­krampf­ten Anbie­de­rungs­ver­su­che, son­dern nur das selbst­be­wuss­te Erklä­ren von Zusam­men­hän­gen – und zwar gera­de dann, wenn die­se Zusam­men­hän­ge unpo­pu­lär sind. Wer etwa das Kli­ma „ret­ten“ will und gleich­zei­tig vom Netz­aus­bau bis zu CCS jede tech­no­lo­gi­sche Inno­va­ti­on ablehnt, dem müs­sen wir die­sen Wider­spruch in jedem Inter­view um die Ohren hau­en, statt uns in die Defen­si­ve drän­gen zu lassen.

Unser Auf­tritt als Cha­mä­le­on, das sich dem Wäh­ler mal in den markt­li­be­ra­len Far­ben des Leip­zi­ger Par­tei­tags von 2003, mal im quietsch­bunt-gesin­nungs­ethi­schen Anstrich des Karls­ru­her Par­tei­tags von 2015 prä­sen­tiert, hat uns dem­ge­gen­über mitt­ler­wei­le eines Groß­teils unse­rer frü­he­ren Kern­kom­pe­ten­zen beraubt. So wirk­te unser Wer­ben mit siche­ren Außen­gren­zen im zurück­lie­gen­den Euro­pa­wahl­kampf nach der Flücht­lings­kri­se für vie­le fast schon zynisch. Eben­so die grund­sätz­lich ja rich­ti­ge For­de­rung nach einer euro­päi­schen Armee: Wer soll uns auch zutrau­en, die­se auf­zu­bau­en, wenn sich unter unse­rer Regie­rungs­füh­rung seit Jahr­zehn­ten ganz offen­sicht­lich schon der Zustand der Bun­des­wehr dra­ma­tisch ver­schlech­tert? Wäh­rend die SPD mit unzäh­li­gen sozia­len Wohl­ta­ten auch der letz­ten Zahn­arzt­gat­tin Steu­er­geld hin­ter­her­wirft, machen wir bei unse­ren wich­tigs­ten Anlie­gen kei­ne sicht­ba­ren Fortschritte.

Uns wie­der stär­ker unse­rer eige­nen, schwar­zen Kraft zu besin­nen, bedeu­tet aber mit­nich­ten, den poli­ti­schen Geg­ner zu igno­rie­ren, wo er sich selbst ent­larvt. Es ist gut, dass die Uni­on Sach­lich­keit vor Laut­stär­ke setzt. Wenn das Maß lin­ker Heu­che­lei aber uner­träg­lich wird und die Medi­en – wie zumeist – schwei­gen, dann muss man, das wuss­ten Kohl und Strauß, auch mal ein paar Dezi­bel drauf­le­gen. Im Euro­pa­wahl­kampf war so ein Moment, in dem ich genau das ver­misst habe, als ich von „Ska“ Kel­lers offe­nen Sym­pa­thie­be­kun­dun­gen gegen­über der Anti­fa erfuhr. Klar, mit Nega­ti­ve Cam­pai­gning gewinnt man kei­ne Wah­len, aber wo sind wir als Christ­de­mo­kra­ten mitt­ler­wei­le ange­langt, wenn wir nicht laut­stark dar­auf hin­wei­sen, dass sich die Spit­zen­kan­di­da­tin unse­res wich­tigs­ten poli­ti­schen Geg­ners völ­lig offen zu genau jener Grup­pie­rung bekennt, die maß­geb­lich für die mas­si­ven Kör­per­ver­let­zun­gen gegen Poli­zis­ten im Rah­men des G20-Gip­fels in Ham­burg ver­ant­wort­lich ist? Glau­ben wir ernst­haft, dass der Wäh­ler nicht ins Grü­beln gerät, wenn er sol­che Fak­ten mit der hüb­schen bür­ger­li­chen Fas­sa­de der Grü­nen abgleicht? Wür­de die media­le Dau­er­be­schal­lung durch grü­ne Mora­lis­ten nicht end­lich so gro­tesk wir­ken, wie sie tat­säch­lich ist, wenn man dem Erei­fern über (natür­lich nur rech­ten) Popu­lis­mus ein­mal die­se uner­träg­li­che Dop­pel­mo­ral entgegenhält?

An unse­rem Hin­weg­se­hen über der­lei Heu­che­lei ärgert mich am aller­meis­ten, dass wir damit eine für unse­re Demo­kra­tie wich­ti­ge Funk­ti­on, die schar­fe Aus­ein­an­der­set­zung mit dem links­ex­tre­men Spek­trum, fast völ­lig der AfD und frag­wür­di­gen rech­ten Medi­en über­las­sen. Der Ein­druck, man kön­ne sei­ne Stim­me nur gegen lin­ke Staats­fein­de erhe­ben, indem man sie einer rechts­ex­tre­men Par­tei schenkt, ist für die Uni­on wie für unser Land glei­cher­ma­ßen ver­hee­rend. Das berech­tig­te Inter­es­se der CDU an der Opti­on „Jamai­ka“ darf des­halb nicht län­ger damit ein­her­ge­hen, dass unser Füh­rungs­per­so­nal schon wegen kleins­ter Peti­tes­sen zurück­tre­ten muss, wäh­rend das öffent­li­che Zele­brie­ren gewalt­tä­gi­ger Orga­ni­sa­tio­nen durch grü­ne Mit­be­wer­ber nicht ein­mal zur Spra­che kommt. Manch einer der „Pro­gres­si­ven“ in der Uni­on (die­se Selbst­be­zeich­nung ver­mit­telt übri­gens eine uner­träg­li­che Ver­ab­so­lu­tie­rung der eige­nen Mei­nung) wür­de mir jetzt sicher raten, mich mal locker zu machen – so die Cool Kids der Uni­on ja schon zur Cau­sa „Fei­ne Sah­ne Fisch­fi­let“. Mir wäre aller­dings neu, dass man die­se Hal­tung schon ein­mal einem der 709 Poli­zis­ten emp­foh­len hät­te, die bei den G20-Kra­wal­len in Ham­burg zum Teil schwer ver­letzt wor­den sind. Und genau des­halb kann ich sie schlicht nicht ernst nehmen.

Trau­en wir uns also doch mal wie­der, wir selbst zu sein. Wenn wir uns immer fra­gen, wie grün Schwarz sein soll, wird sich der Wäh­ler wei­ter­hin zu Recht irri­tiert abwen­den. Die ein­fa­che Ant­wort lau­tet näm­lich: Es kann es nicht sein.

 

Nico­las Sölter

ist Rechts­an­walt für öffent­li­ches Wirt­schafts­recht im Ham­bur­ger Büro einer inter­na­tio­na­len Sozie­tät. Der Elms­hor­ner stu­dier­te Jura in Hei­del­berg, Ham­burg und Cam­bridge und pro­mo­vier­te zum Recht der Euro­päi­schen Ver­trä­ge. Söl­ter ist Mit­glied im Bun­des­vor­stand der Jun­gen Uni­on und steht dem CDU-Orts­ver­band in sei­ner Hei­mat­stadt vor.