Gegen eine paritätische Frauenquote: Die CDU steht für Sach‑, nicht für Symbolpolitik!
Gegen eine paritätische Frauenquote: Die CDU steht für Sach‑, nicht für Symbolpolitik!
Für CIVIS-Redaktionsmitglied Nikolaus von Bar sind drei wichtige Voraussetzungen für die geplante Frauenquote in der CDU nicht erfüllt. Daher spricht er sich gegen die Quote aus. Gleichzeitig sucht er nach einem Kompromiss: Dieser liegt seiner Ansicht nach in einer verhältnismäßigen Quote.
Trotz möglicherweise bestehender Vorbehalte gegenüber der Argumentationsweise meines eigenen Geschlechts in dieser Sache, habe ich mich dazu entschlossen, mich der Debatte zur Einführung einer Frauenquote in Gremien innerhalb der CDU anzuschließen. Ich tue dies nicht als Mann, sondern als Mitglied der CDU. Denn anders als bei vielen anderen Parteien steht die CDU aus meiner Sicht für eine auf Inhalte ausgerichtete ideologiefreie Sachpolitik. Die CDU würde nicht, wie von einigen behauptet, durch die Einführung einer fünfzigprozentigen Frauenquote signalisieren, dass sie eine moderne Partei ist. Die CDU ist eine moderne Partei, weil sie auf Inhalte und eben nicht auf Signale Wert legt.
Die Einführung einer verbindlichen Mindestquote – ganz gleich für welchen Lebensbereich – führt zu Veränderungen des Status quo. Es gibt Einschränkungen einerseits und Erweiterungen andererseits. Eingeschränkt wird der durch die Mindestquote verdrängte Anteil an der Gesamtmenge, der vorher verhältnismäßig überwog. Erweitert wird der Anteil, auf den sich die Mindestquote bezieht. Diese Veränderungen können aus meiner Sicht politisch nur überzeugend gerechtfertigt werden, wenn erstens das Regelungsergebnis der Quote (die Erweiterung) unbedingt erreicht werden soll, zweitens dieses Ergebnis anders nicht herbeigeführt werden kann und drittens die durch die Quote einhergehenden Einschränkungen verhältnismäßig sind. Sobald eine oder mehrere dieser Voraussetzungen nicht vorliegen, können die positiven Folgen einer Mindestquote die negativen nicht mehr überwiegen. Denn fehlen die ersten beiden Voraussetzungen, ist es bereits fragwürdig, warum der Status quo überhaupt verbindlich geändert werden soll. Fehlt es darüber hinaus an der Verhältnismäßigkeit der Regelung, kann denjenigen, die von der Einschränkung betroffen sind, nicht mehr sachlich begründet werden, warum sie diese Einschränkung hinnehmen müssen. Das widerspräche dem Wesen der Politik der CDU.
Am 8. Juli 2020 hat die Struktur- und Satzungskommission der CDU beschlossen, dass – mit Zwischenschritten – ab 2025 für Vorstandwahlen ab Kreisebene in der Partei eine sogenannte Frauenquote von 50 Prozent gelten soll. Können die für die Frauen nach dieser Quote vorgesehenen Posten nicht besetzt werden, bleiben diese unbesetzt. Die endgültige Einführung einer solchen Quote hängt von der Zustimmung der Delegierten des für Anfang Dezember geplanten Bundesparteitages ab. Ob alle oder gar eine der drei oben genannten Voraussetzungen bei der Einführung einer Frauenquote in der CDU vorliegen, sollte mit guten Argumenten – juristische Argumente bleiben folgend außen vor – zumindest hinterfragt werden:
1. Soll das Ergebnis der Frauenquote unbedingt erreicht werden?
Das Ergebnis der Frauenquote wird eine paritätische Besetzung von Vorstandsposten innerhalb der CDU sein. Unabhängig von der Geschlechterverteilung im jeweiligen Kreis‑, Landes- oder im Bundesverband werden die jeweiligen Vorstandsposten zur Hälfte von Frauen und zur Hälfte von Männern besetzt werden. Vor dem Hintergrund, dass auch circa 50 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung weiblich sind, erscheint dieses Ergebnis auf den ersten Blick nicht nur als fair, sondern vor allem auch als demokratisch.
Allerdings gehört zu einer Demokratie neben der aktiven eben auch eine passive Seite. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes. Jede Abgeordnete und jeder Abgeordnete vertritt somit jede einzelne Wählerin und jeden einzelnen Wähler unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Alter, Hautfarbe und Beruf. Gleiches gilt für Abgeordnete auf Kommunal- und Landesebene sowie für Vorstandsmitglieder innerhalb einer Partei, die alle Mitglieder vertreten.
Wer eine 50/50-Quote für die Geschlechterverteilung fordert, der unterstellt damit, dass die bisher gewählten Vertreterinnen und Vertreter eben nicht das ganze Volk oder alle Parteimitglieder, sondern nur Teile repräsentieren. Alternativ oder kumulativ impliziert die Forderung, dass die Wählerinnen sich von den bisher überwiegend männlichen Vertretern nicht ausreichend repräsentiert fühlen. Dem kann aus Sicht eines Mannes nicht viel entgegengehalten werden. Anhängerinnen und Anhängern von Signalpolitik mag an dieser Stelle allerdings zugerufen werden: Es kommt sehr wohl darauf an, wie die Politikerinnen und Politiker tatsächlich agieren, und nicht darauf, ob gefühlt Teile des Volkes unter- oder überrepräsentiert sind. Andernfalls müsste konsequenterweise danach gefragt werden, ob die unter 30-Jährigen in Deutschland durch vier Abgeordnete dieser Altersgruppe im Bundestag ausreichend repräsentiert werden bzw. sich ausreichend repräsentiert fühlen.
Keine andere Partei in Deutschland vereint die Ideen der Chancengleichheit und des freien Wettbewerbs mehr als die CDU; keine andere Partei in Deutschland steht mehr für eine Politik des Förderns und des Forderns als die CDU und keine andere Partei in Deutschland hat bisher mehr erfolgreiche Politikerinnen hervorgebracht als die CDU. An dieser Stelle sei in Erinnerung gerufen, dass die EU-Kommissionspräsidentin, die Bundeskanzlerin, die Parteivorsitzende und vier von sieben Mitgliedern der CDU in der Bundesregierung Frauen sind. Diese Frauen haben durch ihre Leistungen überzeugt und es deshalb so weit gebracht. Es darf nicht dem von der CDU vertretenen Frauenbild entsprechen, dass in Zukunft hinter vorgehaltener Hand gemutmaßt werden könnte, dass eine Frau einen Posten nur bekommen hat, weil sie eine Frau ist.
Unabhängig von der Einführung einer verbindlichen Frauenquote ist natürlich eine ausgewogene Geschlechterverteilung mehr als wünschenswert und weiter mit aller Kraft anzustreben. Eine fünfzigprozentige verbindliche Frauenquote kann jedoch nach all dem, wofür die CDU steht, nicht der richtige Weg sein.
2. Kann eine paritätische Gremienbesetzung anders erreicht werden?
Wer ein Mandat – ob innerparteilich oder in Parlamenten – erhält, wird in Deutschland durch demokratische Wahlen entschieden. Gewählt wird in der Regel die Person, die aufgrund Ihrer Leistung und Befähigung am besten für das jeweilige Amt geeignet ist. Dieses freie Wahlsystem könnte dann in Bezug auf die Geschlechterverteilung hinterfragt werden, wenn die Anzahl der wählbaren Personen eines Geschlechts erheblich von der Anzahl der tatsächlich gewählten Personen dieses Geschlechtes divergierte. In der CDU sind 26,3 Prozent der Mitglieder weiblich. Die Anzahl der weiblichen Bundestagsabgeordneten der CDU beträgt hingegen nur 17,4 Prozent. Bei der SPD liegen diese beiden Anteile bei 32,6 und 23,8 Prozent, bei den Grünen bei 40,5 und 58,2 Prozent und bei der FDP bei 23,7 und 20,5 Prozent. Diese Zahlen zeigen, unabhängig davon ob in der jeweiligen Partei eine sogenannte Frauenquote existiert oder nicht, dass der Anteil von Frauen unter den Mitgliedern mit dem Anteil von Frauen im Bundestag in der jeweiligen Partei in der Tendenz korreliert. Je mehr weibliche Mitglieder die Partei hat, desto mehr weibliche (Bundestags-)Abgeordnete hat die Partei.
Ein altes und ständig in dieser Debatte angeführtes Argument, das durch Wiederholung nicht seine Richtigkeit verliert, lautet: Es bedarf mehr Frauen in der CDU, dann erhöht sich auch der Anteil der Frauen in Parteigremien und Mandaten. Selbst die Anhängerinnen und Anhänger einer Frauenquote behaupten nicht, dass eine Frauenquote und der damit verbundene Anreiz schneller in ein Amt zu kommen, den Frauenanteil in der CDU erhöhen wird. Demnach wäre eine Frauenquote also nicht nur Symbol‑, sondern auch Symptombekämpfungspolitik. Wie wäre es also mit Anreizen für Frauen, in die CDU einzutreten? Neben beispielsweise der Ermöglichung einer beitragsfreien Mitgliedszeit wären insbesondere Werbeveranstaltungen speziell für (junge) Frauen sinnvoll, um die Scheu vor Stammtischen mit lauter älteren Männern zu nehmen. Ebenso könnte die Bundespartei finanzielle Anreize für Ortsverbände schaffen, wenn diese ihren Frauenanteil erhöhen. Es gibt zahlreiche weitere Anreizmöglichkeiten. Warum also gleich das scharfe Schwert der Quote?
Bürgerliche Parteien haben es seit jeher schwerer, Frauen als Mitglieder zu gewinnen, als linke Parteien. Woran das liegt, kann nicht abschließend erklärt werden. Fakt ist jedoch, dass eine Frau bei der CDU genau die gleichen Möglichkeiten hat, in ein politisches Amt zu kommen, wie in jeder anderen Partei.
3. Wäre die Einführung einer Frauenquote von 50 Prozent verhältnismäßig?
Bei einer paritätischen Besetzung wäre die Wahrscheinlichkeit als Frau einen politischen Posten zu bekommen bei einem Frauenanteil in der Partei von 26 Prozent fast doppelt so hoch wie als Mann. Dieses Argument wird von den Befürworterinnen und Befürwortern einer Frauenquote damit zu entkräften versucht, dass es nicht auf den Anteil der Frauen in der Partei, sondern in der Bevölkerung ankomme. Das bedeutet, dass eine Quote von 50 Prozent auch dann Anwendung finden würde, wenn der Frauenanteil in der Partei auf fünf Prozent schrumpfen würde. Das kann nicht überzeugen.
Sofern eine Quote zwingend eingeführt werden soll, könnte ein verhältnismäßiger Lösungsansatz ein fairer Kompromiss sein. Hiernach müssten die Gremienposten ab Kommunalebene prozentual mit mindestens so vielen Frauen besetzt werden, wie der jeweilige Verband weibliche Mitglieder hat. Hierdurch bliebe der Wettbewerb weiterhin bestehen, die Chancengleichheit für beide Geschlechter aufrechterhalten und eine Unterdrückung von Frauen durch männliche Seilschaften würde verhindert werden. Um diese Quote praktikabel zu machen, könnte überdies die Einführung einer Toleranzgrenze, beispielsweise in Höhe von fünf Prozent, diskutiert werden.
4. Fazit
Die CDU sollte die Diskussion um die Einführung einer Frauenquote sachlich und nicht emotional führen. Es darf nicht Frauen gegen Männer oder Modernisierer gegen Bewahrer heißen. Gewinnen kann die CDU nur, wenn das Ergebnis, das am Ende der Debatte steht, sachlich und nicht als Symbolpolitik begründet wird. Die Gefahr wäre zu groß, Anhängerinnen und Anhänger zu verlieren, die sich in der CDU beheimatet fühlen, weil diese für eine ideologiefreie Politik von Sachargumenten steht.
Ich persönlich spreche mich aus den genannten Gründen gegen die Einführung der geplanten fünfzigprozentigen Frauenquote aus. Zwar ist das Ergebnis der Quote wünschenswert, allerdings darf es nicht um jeden Preis gewollt sein. Abgesehen davon, dass eine Steigerung der Mitgliederanzahl von Frauen im Vordergrund stehen sollte, wäre eine fünfzigprozentige Quote losgelöst von der relativen Mitgliederanzahl unverhältnismäßig. Nichtsdestotrotz sollten die Sachargumente beider Seiten zu einem verhältnismäßigen Kompromiss zusammengeführt werden. Dieser Kompromiss könnte eine verhältnismäßige Quote sein.
Dr. Nikolaus von Bar
ist Mitglied der Redaktion von CIVIS mit Sonde.
Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.