Evolution statt Revolution
„Quo vadis, CDU?“ – Impuls 18: Der Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer formuliert seine Erwartungen an den bevorstehenden Leipziger Bundesparteitag. Er wünscht sich programmatische Arbeit statt Ego-Show. Die CDU funktioniere als Volkspartei nur, wenn sie sich ihrer drei Wurzeln besinnt. Daraus folge, nicht einseitig wirtschaftsorientiert zu sein, sondern auch Arbeitnehmer und ihre Familien verstärkt im Blick zu haben. Den verhandelten Kompromiss bei der Grundrente begrüßt er und fordert konkrete Anreize für eine stärkere Mitarbeiterbeteiligung in Unternehmen.
Die Botschaft des Bundesparteitages von Hamburg im vergangenen Jahr war klar: Wir wollen mit Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundeskanzlerin Angela Merkel eine solide Regierungsarbeit bis September 2021. Evolution statt Revolution. Die Union muss die Themen der Menschen angehen und ihre Anliegen transportieren. Dazu darf und sollte durchaus streitig miteinander diskutiert werden. Querschüsse von der Seitenlinie, permanente Personaldebatten und das inszenierte Aufbauschen der Machtfrage sind jedoch das krasse Gegenteil dessen, was in Hamburg demokratisch legitimiert und entschieden wurde.
Meine Erwartung an den kommenden Bundesparteitag der CDU in Leipzig ist ein enges Zusammenspiel von Annegret Kramp-Karrenbauer und Angela Merkel. Ein exzellentes Beispiel ist das Zusammenwirken beider mit Blick auf die Lösung der über zehn Jahre verhandelten Grundrente. Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, die fleißig sind und unsere Gesellschaft zusammenhalten, müssen am Ende ihres Arbeitslebens eine auskömmliche Absicherung erhalten. Das muss auch gelten, wenn sie für einen Niedriglohn gearbeitet haben. Die Grundrente wird besonders ehemaligen Geringverdiener unter die Arme greifen. Jeder wünscht sich ein menschenwürdiges Altern. Jeder hat es verdient. Dabei ist die Grundrente – anders als häufig fast schon populistisch diffamiert – kein „Geschenk“, sondern folgt der Arbeitsleistung. Es müssen mindestens 35 Beitragsjahre in der Rentenversicherung geleistet werden und es gilt der Grundsatz: Die Starken stützen die Schwachen. Dies ist ein Grundpfeiler des sozialen Miteinanders. Und die Union schlägt diesen Pfeiler in die Erde.
Als nächstes müssen wir die Mitarbeiterbeteiligung in den Unternehmen stärken. Bislang fehlen dafür die Anreize. Rund zehn Millionen Menschen besitzen Anteilscheine. Seit 20 Jahren steigen die Kapitaleinkünfte dreimal stärker als die Arbeitseinkommen. Die einen sind verschuldet, die anderen reich, weil die Einkünfte aus Kapital und Arbeit immer weiter auseinanderdriften. Mehr Teilhabe in und an den Unternehmen bedeutet mehr Produktivität, bessere Kapitalausstattung und die Emanzipation des Arbeitnehmers aus seiner abhängigen Beschäftigung. Und vor allem: Mehr Vermögen auch im Alter. Von daher ist es gut, dass die Koalitionsparteien in den Verhandlungen um die Grundrente ebenso eine Stärkung der Mitarbeiterbeteiligung festgeschrieben haben. So soll der steuerfreie Höchstbetrag von derzeit 360 Euro auf 720 Euro angehoben werden, um ihre Attraktivität zu erhöhen. Ein erster richtiger Schritt, auf den noch weitere folgen müssen und werden.
Denn eines ist klar: Unser christliches Menschenbild verpflichtet uns, jeden Menschen mit seiner Biographie zu sehen und da, wo es möglich ist, zu unterstützen und bei Herausforderungen eine helfende Hand zu reichen. Das gilt für junge, für alte, für starke und schwache Menschen – egal, woher sie kommen, egal, wohin das Leben sie führt. Wir als Volkspartei haben jeden im Blick: den Bäcker, die Reinigungskraft, das Logistikunternehmen – genauso wie den Mittelständler oder Unternehmer. Alle Bausteine, die uns als Gesellschaft ausmachen.
Die Union will unterschiedliche Interessen und politische Ideen immer wieder zusammenführen; Brücken bauen, wenn andere polarisieren und radikalisieren. Dies ist auch die Grundlage des Erfolgs der Union, weshalb sie 50 von 70 Nachkriegsjahren im Bund die Regierung anführt. Ihr Markenkern kann nie einseitig wirtschaftsorientiert sein, sondern muss auch den Schutz und die Perspektive der Arbeitnehmer und ihrer Familien im Blick haben.
Denn die CDU war immer dann am stärksten, wenn alle Stimmen der Partei gehört wurden. Wir sind eine konservative, christlich-soziale und liberale Union. Wenn alle drei Wurzeln gehört werden, wenn die eine, die andere nicht erstummen lassen möchte – dann sind wir stark und bringen die Lösungen für die Herausforderungen unseres Landes voran. Wenn wir uns jedoch täglich öffentlich innerparteilich zerreißen und den inhaltlichen wie politischen Wettbewerber nicht bei den anderen Farben, sondern in unseren eigenen Reihen sehen, dann dürfen wir uns nicht darüber wundern, wenn die Menschen im Lande fragen: Sind die so mit sich selbst beschäftigt? Können die überhaupt unsere Sorgen lösen?
Von daher lautet mein Appell für die Leipziger Tage: Keine Ego-Show, sondern Teamarbeit. Es geht nicht um Karrieren, es geht um Programme. Die CDU als farbenfrohe, munter diskutierende Volkspartei der Mitte.
Uwe Schummer
ist seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages und vertritt dort die Menschen des Kreises Viersen. Er ist Mitglied im Bundestagsausschuss Arbeit und Soziales. Seit dieser Legislaturperiode ist er zudem der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.