“Quo vadis, CDU?” – Impuls 7: Anna Lüd­cke for­dert, dass es der CDU nicht nur um stra­te­gi­sches Kal­kül gehen darf, son­dern in tie­fes inne­res Bedürf­nis sein muss, jede Ziel­grup­pe in ihrer Lebens­welt auf­zu­neh­men, abzu­ho­len und sie emo­tio­nal anzusprechen.

In einer immer kom­ple­xer wer­den­den Welt suchen Men­schen nach ein­fa­chen Lösun­gen. Sie favo­ri­sie­ren schnel­le und prä­gnan­te — oft gar kom­pro­miss­lo­se — Reak­tio­nen. Sie wol­len per­sön­lich abge­holt wer­den und seh­nen sich danach, auch emo­tio­nal berührt zu werden.

Dass das Stil­mit­tel der Pola­ri­sie­rung genau die­sen Ansprü­chen gerecht wird, haben die Gescheh­nis­se der letz­ten Wochen gezeigt. Mit unse­ren wenig fle­xi­blen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln kamen wir als CDU dage­gen nur spär­lich an. Wir haben es ver­passt, unse­re Über­zeu­gun­gen und Inhal­te auf der emo­tio­na­len Ebe­ne erklä­rend und ziel­grup­pen­ge­recht her­un­ter zu brechen.

Als eine Volks­par­tei soll­ten wir den Anspruch haben, alle Genera­tio­nen adäquat anzu­spre­chen und mit­zu­neh­men – also auch die Jugend. Dafür müs­sen wir uns als CDU mit der Lebens­welt jun­ger Men­schen beschäf­ti­gen und uns die­ser auch ein Stück anpas­sen. Es ist nun mal Tat­sa­che: Ein gro­ßer Teil der Jugend­li­chen schaut sich lie­ber ein 55-minü­ti­ges You­tube-Video in „ein­fa­cher Spra­che“ an, anstatt eine 11-sei­ti­ge Stel­lung­nah­me zu lesen. Wenn unse­re Abge­ord­ne­ten Ent­schei­dun­gen an der Jugend vor­bei­tref­fen, dann soll­ten sie die­se wenigs­tens auf den rele­van­ten Kanä­len begrün­den und sich der Dis­kus­si­on mit jun­gen Men­schen stel­len. Das hat mir per­sön­lich z.B. bei der Debat­te um die Upload-Fil­ter gefehlt. Im Rah­men des Wahl­kamp­fes habe ich mich mit Men­schen in „Nie wie­der CDU“-Shirts aus­ein­an­der­set­zen müs­sen, die mit der Netz­po­li­tik unzu­frie­den waren. So ging es sicher­lich vie­len ande­ren Wahl­kämp­fern auch.

Was bekom­me ich, wenn ich die CDU wäh­le? Und war­um ist ihr Lösungs­weg der rich­ti­ge für unser Land? Auf die­se Fra­gen wol­len die Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler kon­kre­te Ant­wor­ten, ohne die Kern­aus­sa­gen des sei­ten­lan­gen Wahl­pro­gram­mes selbst her­aus­ar­bei­ten müs­sen. Wäh­rend unse­re Par­tei­zen­tra­le in lan­gen Abstim­mungs­pro­zes­sen über­legt, wie man auf Kon­fron­ta­tio­nen im Inter­net reagiert, schaf­fen es ande­re ihre Posi­tio­nen tau­send­fach tei­len, kom­men­tie­ren und liken zu lassen.

Blickt man auf die Mög­lich­kei­ten für die poli­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on in digi­ta­len Zei­ten hat die CDU als Volks­par­tei ein immenses Poten­zi­al: Ihre Mit­glie­der, die sich in den Bun­des­län­dern, diver­sen Städ­ten und Gemein­den für christ­lich-demo­kra­ti­sche Poli­tik ein­set­zen und auch dafür wer­ben. Sei es in Sport­ver­ei­nen oder in Par­la­men­ten. Als neu­ge­wähl­te Stadt­ver­ord­ne­te der Lan­des­haupt­stadt Pots­dam sehe ich mich per­sön­lich auch als „Influ­en­ce­rin“, die die Mög­lich­keit bekom­men hat, das Christ­lich-Demo­kra­ti­sche in die Gesell­schaft zu tragen.

Wir soll­ten also nicht nur die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­ge des Kon­rad-Ade­nau­er-Hau­ses aus­wei­ten, son­dern auch die Syn­er­gien, die wir haben, nut­zen. Dies heißt: Wir soll­ten unse­re Mit­glie­der so aus­stat­ten, dass sie selbst für uns zu „Influ­en­cern“ in der digi­ta­len Welt wer­den kön­nen. Dies könn­te bei­spiels­wei­se mit Online-Kur­sen zur Nut­zung der ver­schie­de­nen Social-Media-Kanä­le erfol­gen oder auch durch die Bereit­stel­lung  vor­ge­fer­tig­ter „share pics“ bzw. von Erklär­vi­de­os gepaart mit der Sen­si­bi­li­sie­rung für die Bedeu­tung von Likes, Kom­men­ta­ren und dem Tei­len von Inhal­ten. Die Jun­ge Uni­on steht hier­für mit ihrer Erfah­rung bei lan­des­ver­bands­über­grei­fen­den Kam­pa­gnen – wie der aktu­el­len zur Euro­pa­wahl – sicher­lich mit Rat zur Verfügung.

Als eine Volks­par­tei in Regie­rungs­ver­ant­wor­tung müs­sen wir uns inhalt­lich breit auf­stel­len. Wir sind weder eine Kli­en­tel­par­tei noch ste­hen wir ledig­lich für ein bestimm­tes poli­ti­sches The­ma. Wir dür­fen trotz jah­re­lan­ger Regie­rungs­ar­beit nicht bes­ser­wis­se­risch von oben her­ab han­deln und kom­mu­ni­zie­ren. Wir müs­sen der mehr­heit­li­chen gesell­schaft­li­chen Agen­da fol­gen und dabei gleich­zei­tig für unse­re Wer­te einstehen.

Da wir als Volks­par­tei alle Wäh­ler­schich­ten abde­cken, wird es ein­deu­tig Zeit für mehr inter­ne Par­ti­zi­pa­ti­on, so dass Mei­nungs­bil­der der eige­nen Mit­glie­der bes­ser auf Bun­des­ebe­ne ein­flie­ßen kön­nen. Ein Umfra­ge­tool auf der CDU-plus-Sei­te zu ent­schei­den­den Fra­gen wäre hier­für ein guter Anfang. Die Beschlüs­se der Par­tei­ta­ge durch Dele­gier­te kön­nen nicht die ein­zi­ge Lösung in einer sich immer schnel­ler bewe­gen­den Welt sein, in der die phy­si­sche und die digi­ta­le Rea­li­tät mehr und mehr inein­an­der grei­fen. Wir wer­den als CDU nur mit­hal­ten kön­nen, wenn wir uns mutig und inno­va­tiv mit den zukunfts­re­la­ti­ven The­men, wie z.B. der Bewah­rung der Schöp­fung, aus­ein­an­der­set­zen und kon­kre­te Ant­wor­ten fin­den. Dabei muss klar sein: Bevor­mun­den kann nicht der rich­ti­ge Weg sein.

Das unter­durch­schnitt­li­che Ergeb­nis der schwe­di­schen Grü­nen in der Euro­pa­wahl zeigt, dass es durch­aus gelin­gen kann, die Kli­ma­de­bat­te als Par­tei der Mit­te zu bespie­len. Mit einer christ­de­mo­kra­ti­schen Kli­ma­po­li­tik kann man Stim­men gera­de dadurch gewin­nen, dass man Lösun­gen anbie­tet und dabei nicht als „Ver­bot­s­par­tei“ auf­tritt. Viel­leicht hilft auch ein Blick in das Jahr 2011, als der beschlos­se­ne Atom­aus­tritt bewirk­te, dass die Grü­nen stark an Stim­men ver­lo­ren haben und Deutsch­land von einer „Kli­ma­kanz­le­rin“ der CDU/CSU geführt wor­den ist.

Die­ses Jahr kom­men wei­te­re Wah­len auf uns zu. In Sach­sen, in Thü­rin­gen und in mei­nem Bran­den­burg. Das Ergeb­nis der Wah­len in Bran­den­burg bei der Euro­pa­wahl ent­täuscht mich sehr. In der Stadt, in der ich auf­ge­wach­sen bin und immer noch lebe, haben wir als CDU bei der Euro­pa­wahl das schlech­tes­te Ergeb­nis deutsch­land­weit ein­ge­holt. Die AfD, ohne bran­den­bur­gi­schen Spit­zen­kan­di­da­ten, ist in Bran­den­burg die stärks­te Kraft gewor­den. Die Ent­täu­schung über die­sen Wahl­aus­gang sitzt sicher­lich tief. Aber den­noch wird es wich­tig sein, sich zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, dass wir bei den Land­tags­wah­len nach 28 Jah­ren einer SPD geführ­ten Regie­rung auch die Mög­lich­keit haben, die SPD end­lich abzu­lö­sen. Damit dies gelin­gen kann, müs­sen uns die Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler jedoch einen Ver­trau­ens­vor­schuss geben.

Ich bin seit mei­nem sechs­zehn­ten Lebens­jahr ein CDU-Mit­glied, weil ich auf eine ideo­lo­gie­freie, beson­ne­ne und auf Wer­ten basie­ren­de Poli­tik set­ze. In den letz­ten Mona­ten waren wir nicht in der Lage, die Men­schen mit unse­ren Grund­wer­ten und Posi­tio­nen zu berüh­ren. Um Men­schen aller Alters- und Bevöl­ke­rungs­grup­pen zu über­zeu­gen, ist es uner­läss­lich, die­se Grup­pe auch intern abzu­bil­den. Eine zuneh­men­de Ent­frem­dung zwi­schen Par­tei und Bevöl­ke­rung führt unwei­ger­lich zu einem Gefühl der Bevor­mun­dung. Um die­sen Trend auf­zu­hal­ten, muss es uns gelin­gen, auch jun­ge und weib­li­che Unter­stüt­zer aus allen Bevöl­ke­rungs­schich­ten zu gewin­nen. Auch das bedeu­tet es, eine Volks­par­tei zu sein und die Mit­te der Gesell­schaft abzubilden.

Als CDU Bran­den­burg kön­nen wir aus dem Euro­pa­wahl­kampf nur ler­nen: Den Leu­ten zuhö­ren und sie nicht bevor­mun­den. Die Vor­zü­ge poli­ti­scher Bestän­dig­keit und Ideo­lo­gie­frei­heit beto­nen, inno­va­ti­ve Lösun­gen garan­tie­ren sowie Sach­ver­hal­te und Ent­schei­dun­gen erklä­ren. Zusätz­lich müs­sen wir jede Ziel­grup­pe in ihrer Lebens­welt auf­neh­men, abho­len und sie emo­tio­nal anspre­chen. All das darf dabei aber nicht nur eine Reak­ti­on auf äuße­re Her­aus­for­de­run­gen sein. All das muss unser tie­fes, inne­res Bedürf­nis werden.

 

Anna Lüd­cke

(Jg. 1995) ist JU Kreis­vor­sit­zen­de in Pots­dam und stell­ver­tre­ten­de Lan­des­vor­sit­zen­de der JU. Vor kur­zem wur­de sie für die CDU in die Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung in Pots­dam gewählt. Lüd­cke ist seit sie 15 Jah­re alt ist poli­tisch aktiv, erst in der JU und anschlie­ßend in der CDU. Sie hat gera­de ihr Stu­di­um in „Poli­tik, Ver­wal­tung, Orga­ni­sa­ti­ons­wis­sen­schaf­ten“ an der Uni­ver­si­tät Pots­dam abge­schlos­sen und arbei­te­te neben­her für die Christ­lich-Demo­kra­ti­sche Arbeit­neh­mer­schaft Deutsch­lands (CDA).