Die CDU in der Gesellschaft breit verankern: Wie man den Frauenanteil in der Partei, in Ämtern und Mandaten stärken kann
Für CIVIS-Redaktionsmitglied Barbara Ermes geht es in der aktuellen Debatte um viel mehr als die Frauenquote: Wie kann die CDU insgesamt mehr Frauen für die Partei sowie Ämter und Mandate gewinnen? Dabei sei die Quote das verbindliche Beschleunigungsinstrument für viele weitere Maßnahmen. Angesichts der 2021 anstehenden Bundestagswahl sieht die Autorin die Quote als Rettung in letzter Sekunde, die die Bestenauslese sogar fördert.
In den vergangenen Tagen und Wochen ist viel über die Beschlüsse der Struktur- und Satzungskommission der CDU gesprochen worden, Quotenbefürworter*innen und Gegner*innen haben sich in den sozialen Netzwerken, in den Medien, in zahlreichen digitalen Meetings ausgetauscht, gestritten. Die Fronten scheinen die gleichen wie eh und je, die Mehrheiten indes sind unklar.
Was mich an der Debatte stört, sind zwei Punkte:
Erstens werden die Beschlüsse der Struktur- und Satzungskommission im Kapitel „Mehr Vielfalt in der CDU, in Ämtern und Mandaten“ auf den Absatz zur Frauenquote reduziert. Zweitens wird von vielen Quotengegner*innen die unsägliche Behauptung beschworen, dass eine Quote eine Bestenauslese unmöglich mache.
Liebe Diskussionsteilnehmer*innen, lest einmal das ganze Kapitel! Man findet es übrigens hier: https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/beschlossene_vorschlaege_struktur-und_satzungskommission.pdf?file=1&type=field_collection_item&id=21270
Der Vorschlag für eine Quotenregelung ist der letzte nach einem ganzen Strauß an Maßnahmen, die dem Ziel dienen, den unbestritten viel zu niedrigen Frauenanteil unter den Parteimitgliedern, in Ämtern und Mandaten zu erhöhen.
Es geht um Ansprache und Gewinnung von weiblichen Mitgliedern, um Entwicklung und Förderung durch Mentoring- und Patenprogrammen (übrigens auch von jungen Menschen und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte), um Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Parteiarbeit. Eine politische Elternzeit soll eingeführt werden, Gleichberechtigung durchgesetzt und Diskriminierung entgegengetreten werden. Nur mithilfe dieser gezielten Maßnahmen werden wir mehr Frauen für die CDU gewinnen können. Aber um all dies nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben, wird die Quote als verbindliches Beschleunigungsinstrument obendrauf gesattelt.
Ich sage es ganz ehrlich: Alles was wir in den vergangenen Jahren versucht haben, alle hehren Vorhaben, Frauen zu fördern, sie als Mitglieder zu gewinnen oder in Verantwortung zu bringen, haben wenig bis nichts genützt. Vereinzelt hat es Erfolge gegeben, haben Quereinsteigerinnen siegreiche Wahlkämpfe geführt und üben ihr Mandat nun erfolgreich aus. Aber es sind und bleiben zu wenige. Die Beharrungskräfte derjenigen, die schon immer Mehrheiten beschaffen konnten, die Anhänger*innen des „das lief schon immer so, das läuft auch weiter so“, sind immens. Listenplätze und Wahlkreise werden immer noch von Herrenrunden „ausgekartet“, Frauen „dürfen mitspielen“.
Das muss sich ändern. Schnell!
Warum? Zum einen weil Frauen 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen und es keinen Grund gibt, warum nicht auch 50 Prozent der Abgeordneten einer Partei, die sich schließlich rühmt Volkspartei zu sein, weiblich sein sollten. Das stellt ja nicht in Abrede, dass auch männliche frei gewählte Abgeordnete sich als Anwälte der Anliegen aller verstehen können. Unterschiedliche Perspektiven sind nicht nur eine Bereicherung, sie sind notwendig für gutes Regieren. In Unternehmen lässt sich das an Umsatz und Gewinn spürbar messen, in der Politik folgerichtig an der Qualität der Gesetzgebung. Warum also nicht in Qualität investieren?
Zum anderen verweise ich in diesem Zusammenhang ganz nüchtern auf das Stimmverhalten der Geschlechter unter der Unionswählerschaft. Prof. Dr. Frank Decker von der Universität Bonn hat das für die Bundeszentrale für politische Bildung wie folgt analysiert:
„Eine interessante Entwicklung zeigt das Stimmverhalten der Geschlechter. Bis in die 1990er-Jahre hinein war der weibliche Anteil unter den Unionswählern stets höher als der männliche, was unter anderem mit der stärkeren Religiosität der Frauen erklärt wird. 2002 kehrte sich das Verhältnis erstmals um, weil vor allem jüngere Frauen wegen der als rückständig empfundenen Positionen in der Familien- und Geschlechterpolitik CDU und CSU ihre Unterstützung versagten. Dass die Partei diesen Kompetenzverlust wettmachen konnte und bei den Frauen 2009 und 2013 wieder deutlich vorne lag, verdankte sie unter anderem ihren weiblichen Zugpferden Angela Merkel und Ursula von der Leyen. Gleichzeitig dürfte sich die im Wahlkampf 2013 versprochene Aufstockung der Mütterrente auf die Unterstützungsbereitschaft weiblicher Wähler positiv ausgewirkt haben. Bei der Bundestagswahl 2017 ist der Frauenüberhang nochmals größer geworden, weil vor allem männliche Wähler in den mittleren Altersgruppen zur AfD und zur FDP abwanderten.“
Ganz pragmatisch gesprochen ist der Vorschlag der Struktur- und Satzungskommission die Rettung in letzter Sekunde: Die Bundestagswahl 2021 werden wir ohne Angela Merkel, ohne Ursula von der Leyen und ohne Annegret Kramp-Karrenbauer als Führungspersonen an der Spitze der CDU schlagen müssen. Wenn wir nicht jetzt, rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl, mit stabiler Mehrheit diesen gesellschaftspolitischen Schritt in das 21. Jahrhundert glaubhaft wagen, werden wir einen Großteil dieser weiblichen Wählerschaft mit aller Wahrscheinlichkeit an die Grünen verlieren.
Und die Glaubhaftigkeit kommt über die Quote. Alle anderen Maßnahmen sind ohne die Quote wenig wert.
Das unsachliche Argument, dass eine Frauenquote die Bestenauslese verhindere, bringt mich zu einem Wort, das mir im Absatz „Gleichberechtigung durchsetzen und Diskriminierung entgegentreten“ der Beschlüsse fehlt: Sexismus beseitigen. Warum Sexismus offen ansprechen, wenn es sich doch in dem Oberbegriff „Diskriminierung“ so schön verbirgt? Weil das genannte Argument der Quotengegner*innen (ja, auch Frauen bringen es als Gegenargument) offen sexistisch ist, jeder Grundlage entbehrt und als Beispiel für den leider in einer männlich geprägten Struktur zu häufig vorkommenden Sexismus steht. Die Quote ermutigt zu Engagement und sie verbessert die Bestenauslese sogar – denn der Pool, aus dem die Besten gewählt werden können, wird größer.
Die Botschaft, für die die Quote nämlich steht, ist vielleicht vielen nicht so bewusst. Sie ist Empowerment: Deine Anwesenheit ist erwünscht und gewollt, auch wenn Du in Deinem Orts- oder Kreisverband dicke Bretter bohren und gegen Widerstände agieren musst – und gerade deswegen. Du bist erwünscht und Du bereicherst die Volkspartei CDU, gib nicht auf!
Das ist meiner Meinung nach eine Botschaft, die viele Frauen ermutigt, die klug sind, politisches Talent besitzen, interessiert sind an Meinungsbildung, Engagement und fachliche Expertise mit einbringen könnten, Mitglied zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Schließlich ermutigt die Quote auch Männer, auf Frauen zu setzen.
Diese Frauen sagen sich heute, ihren örtlichen Verband vor Augen: Warum soll ich mir das antun? Die Quote antwortet: Weil wir Dich brauchen.
Barbara Ermes
ist Mitglied der Redaktion von CIVIS mit Sonde.
Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung der Autorin wieder.