Der Unterschied zwischen Goethe und Konfuzius
Die Konfuzius Institute stehen zunehmend in der Kritik. Im Oktober 2021 forderte die damalige Bundesbildungsministerin Anja Karliczek deutsche Universitäten auf, die Zusammenarbeit mit den Instituten zu überprüfen, wenn nicht gar sich an den Verfassungsschutz zu wenden. Bruno Felgentreu, stellvertretender Bundesvorsitzender und Internationaler Sekretär des RCDS, wirft einen vertieften Blick auf die Konfuzius Institute.
„Wer nicht an die Zukunft denkt, wird bald Sorgen haben“ – Diese Worte von Konfuzius scheinen auf den ersten Blick banal. Es ist selbstverständlich, dass Ignoranz und Unbekümmertheit um unsere Zukunft eher schlechte als gute Folgen haben. Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll dieses Zitat zu wiederholen.
China – eine der ältesten Zivilisationen der Welt – bestimmt unsere Zukunft. Wie wir handeln, wie wir leben, wie wir denken. Manche meinen, dass dieser Zustand schon erreicht ist; andere prognostizieren ihn; und manche warnen vor Schwarzmalerei. Wer sich mit der deutschen und europäischen Außenpolitik beschäftigt, der merkt eines auf jeden Fall: Eine kohärente China-Strategie gibt es nicht. Die Chinesen hingegen haben mehr als nur einen Fünf-Jahres-Plan für Europa.
Etwas Aufmerksamkeit sollte man dabei auf die Konfuzius Institute richten. Abseits der harten Machtpolitik und der geostrategischen Interessensdurchsetzung operiert China nämlich auch im Bereich der Soft Power, wie wir Deutsche und Europäer auch. Aber um was für eine Form der Soft Power handelt es sich hierbei? Und welche Rolle spielen hierbei die Konfuzius Institute? Neben der sogenannten Diplomatie chinesischer Prägung geht es bei den Konfuzius Instituten auch um Fragen der Zensur, Propaganda und Wissenschaftsfreiheit. Es lohnt sich also einen näheren Blick auf die Konfuzius Institute in Deutschland und vor allem an unseren Hochschulen zu werfen.
Die Nähe zur Kommunistischen Partei Chinas
Das Konfuzius Institut ist auf den ersten Blick ähnlich wie das deutsche Goethe Institut eine staatliche Bildungseinrichtung mit dem Auftrag, im Ausland einen leichten Zugang zum Erlernen der jeweiligen Sprache und Kultur herzustellen. Auftrag der Konfuzius Institute hierzulande ist es also, die Chinakompetenz in Deutschland auszubauen. Ähnliche Beispiele gibt es aus dem Vereinigten Königreich mit dem British Council und aus Frankreich mit der Alliance Française. Die Konfuzius Institute wurden bis vor kurzem von der Dachorganisation Hanban geleitet. Um mitunter den Imageschaden der Konfuzius Institute im Ausland zu beheben, wurde das Hanban aufgelöst und durch zwei neue Institutionen ersetzt.
Inhaltlich und personell bleibt laut Bundesregierung die Nähe der Konfuzius Institute zur Kommunistischen Partei bestehen.
Die inhaltliche Ausgestaltung der chinesischen Sprachpolitik im Ausland durch z.B. Lehrwerke, Fortbildung von Lehrenden und Stipendienprogrammen ist seit Mitte 2020 die Aufgabe des Zentrums für Sprachbildung und ‑kooperation. Dieses Zentrum ist nach Angaben der Bundesregierung direkt dem chinesischen Erziehungsministerium unterstellt, das wiederum an die Direktiven der Kommunistischen Partei Chinas gebunden ist. Ein Konsortium bestehend aus chinesischen Universitäten und Unternehmen ist für die Finanzierung verantwortlich. Dieses Konsortium tritt als „Chinesische Stiftung für internationale Bildung“ auf. Die der Stiftung angehörenden Akteure sind jedoch grundsätzlich den Zielen der Kommunistischen Partei verpflichtet. Inhaltlich und personell bleibt also laut Bundesregierung die Nähe der Konfuzius Institute zur Kommunistischen Partei bestehen, wie eine kleine Anfrage der FDP ergab.
Enge Verankerung an deutschen Universitäten
Weltweit gibt es über 400 solcher Konfuzius Institute. Allein in Deutschland sind es 19. Im Gegensatz zu den westlichen Instituten operiert das Konfuzius Institut sehr eng mit Universitäten und Hochschulen im jeweiligen Gastgeberland. So eng sogar, dass viele Konfuzius Institute gar keine eigenen Räumlichkeiten im Ausland betreiben, sondern die der Universitäten benutzen. Ein weiterer Unterschied besteht in der Finanzierung. Hierbei müssen meist finanzielle Vereinbarungen getroffen werden, die sich an einem 50–50 Finanzierungsmodell orientieren. Während die Goethe Institute vom Staat mit Steuergeldern komplett finanziert werden, die auch öffentlich einsehbar sind, wird bei den Konfuzius Instituten meist ein Zusammenwirken der Universitäten im Gastgeberland forciert. Damit gewinnt das Konfuzius Institut zusätzlich an Legitimität. Auch die Angestellten der Institute sind meistens nicht etwa lokale Fachkräfte, sondern speziell in der Volksrepublik China ausgebildete Fachkräfte. Während sich die Hauptaktivitäten der Institute auf die Vermittlung von Sprache und Kultur konzentrieren, gibt es auch enge Verflechtungen mit der Forschung.
Der Diskurs zu China wird durch die Konfuzius Institute an entscheidender Stelle mitgeprägt.
Für Xi Jinping und die Kommunistische Partei Chinas sind die Institute Instrumente für den Aufbau einer sozialistischen Kultur im Ausland und Diplomatie chinesischer Prägung. Der Diskurs zu China wird durch die Konfuzius Institute an entscheidender Stelle mitgeprägt, nämlich in der Sprach- und Wissensvermittlung über China. Kritische Themen und Fragen zur chinesischen Politik werden nicht gerne gesehen. Dazu zählen selbstverständlich die Tibet-Frage, die Aggressionen im Südchinesischen Meer, auch Taiwan gegenüber, der Umgang mit der Demokratiebewegung in Hong Kong und der Umgang mit den Uiguren in der Xinjiang Provinz. An den Universitäten und Hochschulen, die einen Kooperationsvertrag mit einem Konfuzius Institut pflegen, kommt es dabei oft zu vorauseilender Selbstzensur, was selbstverständlich ein Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit ist.
Vorauseilende Selbstzensur und Spionageverdacht
Als im November 2020 der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag zur Menschenrechtslage in China tagte, war eine der geladenen Sachverständigen eine emeritierte Sinologin der FU Berlin. Sie ist die dortige Vorstandsvorsitzende des Konfuzius Instituts. In ihrem Eingangsstatement stellte sie klar, dass sie es nicht gut findet, wenn die „Kompetenz- und beruflichen Weiterbildungszentren“ in der Xinjiang Provinz für außenpolitische Zwecke instrumentalisiert werden. Diese Zentren seien für sie vor allem auch eine Maßnahme der Terrorismusbekämpfung.
Dabei saß als weitere Sachverständige eine Whistleblowerin im Raum und berichtete von der Gehirnwäsche, Folter, Sklavenarbeit und Tötungen, die in den Lagern stattfanden. Unabhängig davon, ob es wirklich die eigene Meinung der Professorin aus dem Konfuzius Institut war, war es doch eine der Kommunistischen Partei Chinas sehr konform ausgedrückte Wortwahl. Auch wenn es um Taiwan geht, ist keine Diskussion möglich. Chinas kompromisslose Haltung gegenüber der Souveränität Taiwans lässt bei den Konfuzius Instituten keinen Raum für einen offenen und ehrlichen Diskurs zu Taiwan (wie auch zu Themen wie Tibet, Menschenrechtsverletzungen, etc.). Ein Widerspruch zu den Interessen der Kommunistischen Partei Chinas wird also von Beginn an verhindert.
Unser Anspruch ist es, einen unvoreingenommenen Zugang zu Land und Kultur zu ermöglichen.
Zusätzlich besteht der Verdacht, dass die Institute weltweit für Militär- und Industriespionage eingesetzt werden. 2019 wurde in Belgien einem Leiter eines Konfuzius Instituts das Visum entzogen, weil gegen ihn der Verdacht der Spionage bestand. Auch chinesische Studenten im Ausland könnten durch die Institute überwacht werden. Auf Grund dieser Befürchtungen wurden neben Belgien auch in anderen Ländern an einzelnen Standorten die Kooperation mit den Konfuzius Instituten gekündigt bzw. nicht verlängert, wie z.B. in der Schweiz, Schweden, Dänemark, den Niederlanden, Frankreich und in den USA. Auch hierzulande gab es schon prominente Fälle des Kooperationsstopps. Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und die Universität Hamburg haben ihre Kooperationen mit den ansässigen Konfuzius Instituten beendet. Die Hochschulleitung der Universität Düsseldorf hat den Kooperationsvertrag nicht verlängert, weil sie nicht ausschließen konnte, dass die Doktrin der Kommunistischen Partei Chinas Einfluss auf die Arbeit des Instituts nimmt.
„Mit dem Wissen wächst der Zweifel“, schrieb einst Goethe. Es ist nicht schön, Dinge unter Generalverdacht zu stellen. Dennoch muss man bei der Entwicklung der Konfuzius Institute seit 2004 zunehmend an den Satz von Goethe denken. Die Konfuzius Institute sind ein Spiegel der gesellschafts‑, kultur- und bildungspolitischen Entwicklungen in China. Unser Anspruch ist es, einen unvoreingenommenen Zugang zu Land und Kultur zu ermöglichen. Es liegt aber in der Natur von Systemen wie jenes in Peking, dass sie dies nicht gewährleisten wollen. Mit dem Wissen, wer hinter den Konfuzius Instituten Einfluss ausübt, sagen wir im RCDS: Nein, danke! Unsere akademische Freiheit ist ein hohes Gut. Die Zusammenarbeit mit Konfuzius Instituten darf nicht heißen, dass der offene Diskurs aufgrund von politischen Sensibilitäten nur eingeschränkt möglich ist. Wir müssen die Kooperation mit diesen Instituten an unseren Hochschulen beenden und selbst dafür sorgen, dass wir in Deutschland und Europa unabhängig von der Kommunistischen Partei Chinakompetenz aufbauen. Denn diese wird zweifelsohne immer wichtiger.
Bruno Felgentreu
ist stellvertretender Bundesvorsitzender und Internationaler Sekretär des RCDS. Er studiert an der TU Dresden im Masterstudiengang Politik und Verfassung.