Der Bun­des­tags­wahl­kampf geht auf die Ziel­ge­ra­de. Mit dabei: Vie­le jun­ge Köp­fe und neue Gesich­ter, die das Leben in Deutsch­land bes­ser machen wol­len. Einer davon ist Flo­ri­an Mül­ler, der im Süd­sauer­land für ein Direkt­man­dat antritt und sich beson­ders in der Ver­kehrs­po­li­tik enga­giert. Er erklärt, wie Deutsch­land sich im Bereich der Mobi­li­tät in Zukunft auf­stel­len sollte.

Am Ende kom­me ich immer wie­der zur Ver­kehrs­po­li­tik zurück. Und das, obwohl es ein undank­ba­res The­ma ist. Ver­kehrs­po­li­tik hat immer nur dann Kon­junk­tur, wenn etwas nicht funk­tio­niert. Wenn ich auf dem Weg zur Arbeit wie­der mal eine hal­be Stun­de im Stau ste­he, wenn in Hamm der ICE wie­der mal nicht geteilt wird oder wenn im Som­mer wie­der mal Grup­pen­sau­na in der Regio­nal­bahn ansteht, weil „hit­ze­be­dingt“ die Hälf­te der Züge ausfällt.

Ver­kehrs­po­li­tik ist (neben Wind­rä­dern) die Kampf­zo­ne der Grü­nen und Bür­ger­initia­ti­ven, der Pla­nungs- und Ver­schie­bet­raum jedes Büro­kra­ten in Städ­ten und Gemein­den, im Land und im Bund. Sie ist das Revier der Beam­ten, Ver­wal­ter und Tech­no­kra­ten. Selbst der Name klingt mehr nach Stau als nach frei­er Fahrt. Aber sie ist wahn­sin­nig wich­tig, für vie­le Mil­lio­nen Men­schen – wie für mei­ne Fami­lie und mich.

Die Men­schen bewe­gen – gera­de im länd­li­chen Raum

Ich kom­me aus Drol­s­ha­gen, einer klei­nen Stadt im Sauer­land west­lich von Olpe. Hier im Süd­sauer­land, am Ran­de des ber­gi­schen Lands, leben rund 11.000 Men­schen. Seit ihrer Grün­dung ist die CDU hier immer stärks­te Kraft gewe­sen. Sie hat eigent­lich immer die abso­lu­te Mehr­heit geholt. Die ers­te Eisen­bahn ins 70 Kilo­me­ter ent­fern­te Köln fuhr 1910. Mit­te der Sieb­zi­ger beka­men wir unse­ren ers­ten Auto­bahn­an­schluss, so dass der Bahn­be­trieb ein paar Jah­re spä­ter ein­ge­stellt wur­de. Auf 1.000 Ein­woh­ner kom­men 667 Autos. Oder mit ande­ren Wor­ten: Wer hier lebt, fährt Auto. Es ist eine im bes­ten Sin­ne länd­li­che Gegend.

Hier bin ich 2002 in die Jun­gen Uni­on ein­ge­tre­ten und habe im Alter von 15 Jah­ren ange­fan­gen, Poli­tik zu machen – Ver­kehrs­po­li­tik. Denn wie in vie­len ande­ren länd­li­chen Gegen­den woll­ten natür­lich auch wir einen Nacht­bus, der uns vom Club oder der LAN-Par­ty wie­der nach Hau­se fährt. Hier habe ich zum ers­ten Mal erlebt, was Poli­tik bewir­ken und wie man gestal­ten kann. Durch die Ver­kehrs­po­li­tik haben wir damals das Leben vie­ler Jugend­li­cher ein­fa­cher und siche­rer gemacht und kön­nen es auch heu­te noch. Hier habe ich auch ver­stan­den, wel­che Bedeu­tung Ver­kehrs­po­li­tik hat – im Guten wie im Schlech­ten. Im bes­ten Fall neh­men wir sie als selbst­ver­ständ­lich hin, im schlech­tes­ten scha­det sie unse­rem Kli­ma, unse­ren Unter­neh­men und unse­ren Nerven.

Im bes­ten Fall neh­men wir Ver­kehrs­po­li­tik als selbst­ver­ständ­lich hin, im schlech­tes­ten scha­det sie unse­rem Kli­ma, unse­ren Unter­neh­men und unse­ren Nerven.

Seit­dem sind vie­le Jah­re ver­gan­gen, aber die Ver­kehrs­po­li­tik hat mich immer beglei­tet – vor allem als Betrof­fe­ner: Ich habe in Ber­lin für unse­ren Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten gear­bei­tet und erlebt, wie müh­sam das Pen­deln nach Haus mit noto­risch unzu­ver­läs­si­gen Zügen ist. Ich habe in Köln gear­bei­tet und auf dem Weg von Drol­s­ha­gen von und zur Arbeit stun­den­lang im Stau gestan­den – und die Erfah­rung gemacht, dass der ÖPNV kei­ne Alter­na­ti­ve ist.

Des­halb habe ich mich ent­schlos­sen, für den Bun­des­tag zu kan­di­die­ren: Ich möch­te das Leben für Pend­ler und Jugend­li­che, für Rent­ner auf dem Weg zum Arzt und Eltern auf dem Weg zum Fuß­ball­trai­ning, ein­fa­cher machen. Für alle Men­schen in Deutsch­land aber auch gera­de für Men­schen in länd­li­chen Räu­men, wie mei­ner Hei­mat, müs­sen wir dicke Bret­ter boh­ren – aber wir kön­nen, das ist mei­ne fes­te Über­zeu­gung, eine Ver­kehrs­po­li­tik machen, die uns voranbringt.

Wir kön­nen, das ist mei­ne fes­te Über­zeu­gung, eine Ver­kehrs­po­li­tik machen, die uns voranbringt.

Zum Bei­spiel beim öffent­li­chen Nah­ver­kehr: Wir müs­sen Pend­lern ein Ange­bot machen, das sie davon über­zeugt, ihr Auto ste­hen zu las­sen und auf Bus und Bahn umzu­stei­gen. Das funk­tio­niert aber nur durch ver­läss­li­che Ange­bo­te, die die Men­schen schnell und kom­for­ta­bel zur Arbeit brin­gen. Des­halb ist auch die Gän­ge­lung von Auto­fah­rern durch Fahr­ver­bo­te, Geschwin­dig­keits­be­schrän­kun­gen und das Abschaf­fen von Park­plät­zen der fal­sche Weg. Denn so lan­ge mich das Auto zuver­läs­si­ger und beque­mer zur Arbeit bringt als jedes ande­re Ver­kehrs­mit­tel, stei­ge ich nicht um. Wir dür­fen unter­schied­li­che Ange­bo­te nicht gegen­ein­an­der aus­spie­len, son­dern müs­sen sie zusammendenken.

Und machen wir uns nichts vor: Auch wenn uns die­ser Umstieg gelingt, wer­den vie­le Men­schen wei­ter Auto fah­ren: weil sie kei­ne Ein­käu­fe schlep­pen kön­nen oder wol­len, weil man das Kajak nicht mit dem Bus zum See bringt oder ein­fach, weil man selbst schlecht zu Fuß ist. Gera­de bei uns auf dem Land, wo Car- und Rol­ler-Sharing auf­grund der gerin­ge­ren Bevöl­ke­rungs­dich­te lei­der kei­ne ernst­zu­neh­men­den Optio­nen sind, wer­den die Men­schen wei­ter ihre eige­nen Autos fahren.

Was wir tun müssen

Des­halb müs­sen wir die indi­vi­du­el­le Mobi­li­tät neu den­ken, über Elek­tro- und Hybrid-Antrie­be hin­aus: Schon in den 90er Jah­ren gab es extrem spar­sa­me Autos, die auf hun­dert Kilo­me­ter nicht mehr als drei Liter Sprit ver­brauch­ten. An die­se ver­ges­se­nen Ideen knüpft zum Bei­spiel die Uni Sie­gen oder das Auto­mo­ti­ve Cen­ter Süd­west­fa­len (ACS) mit Pro­jek­ten zum Leicht­bau von Autos an, die nicht auf Leis­tung oder hoher Geschwin­dig­keit aus­ge­legt sind. Wir müs­sen wei­ter alter­na­ti­ve Kraft­stof­fe erfor­schen. Kirch­hoff, ein gro­ßer Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rer aus dem Sauer­land, baut bei­spiels­wei­se schon heu­te Lkws, die Was­ser­stoff als Antriebs­mit­tel nut­zen. Aber auch Was­ser­stoff ist nur eine von vie­len Möglichkeiten.

Natür­lich geht es bei Ver­kehrs­po­li­tik auch um Infra­struk­tur, um aus­ge­bau­te Stra­ßen, Rad­we­ge und Schie­nen. Es ist das viel­leicht schwie­rigs­te The­ma für Bun­des­po­li­ti­ker: Einer­seits gibt es Städ­te wie Salz­we­del, die mit­ten in Deutsch­land lie­gen, aber in jede Him­mels­rich­tung eine Stun­de von der nächs­ten Auto­bahn­auf­fahrt ent­fernt sind. Ande­rer­seits wer­den in Bay­ern vor jeder Bun­des­tags­wahl zuver­läs­sig neue Orts­um­ge­hun­gen ein­ge­weiht. Wir Deut­schen bau­en ger­ne für die Ewig­keit – aber das Bau­en muss doch kei­ne Jahr­zehn­te dauern.

Wir Deut­schen bau­en ger­ne für die Ewig­keit – aber das Bau­en muss doch kei­ne Jahr­zehn­te dauern.

Für Bun­des­po­li­ti­ker ist es in sol­chen Situa­tio­nen leicht, ein­fach auf die jewei­li­gen Behör­den zu schimp­fen und mit den Schul­tern zu zucken oder gegen Bür­ger­initia­ti­ven zu wet­tern, die mit ihren Kla­gen jedes Bau­vor­ha­ben aus­brem­sen und blo­ckie­ren. Zur Wahr­heit gehört aber auch, dass wir als Poli­ti­ker auf Bun­des- und Lan­des­ebe­ne die­je­ni­gen sind, die dafür die Regeln vor­ge­ben, die jede Umwelt‑, Unwet­ter- und Brand­schutz­ord­nung beschlie­ßen. Ich bin froh, dass Ver­kehrs­mi­nis­ter Hen­drik Wüst in Nord­rhein-West­fa­len geneh­migt und baut, was das Zeug hält. Aber auch er braucht bes­se­re recht­li­che Grund­la­gen. Unser Bei­trag als Poli­ti­ker muss des­halb ein ein­fa­che­res Pla­nungs- und Ver­ga­be­recht sein. Das ist, um im Bild zu blei­ben, unse­re Groß­bau­stel­le. Und ja, die­ses Geset­zes­un­ge­tüm ist auch ein büro­kra­ti­sches Mons­ter. Wie gesagt: Ver­kehrs­po­li­tik ist ein har­tes Pflaster.

Das Moder­ni­sie­rungs­jahr­zehnt gestalten

Aber wenn wir die­se Reform nicht ver­su­chen, haben wir schon ver­lo­ren. Wir müs­sen mit den Prak­ti­kern zusam­men­ar­bei­ten und alles strei­chen, was nicht unbe­dingt not­wen­dig ist. Wir brau­chen weni­ger Vor­ga­ben und mehr Ver­trau­en in die Men­schen, die die Brü­cke vor Ort bau­en. Wofür sonst haben wir in Deutsch­land die bes­ten Inge­nieu­re der Welt?

Wir brau­chen weni­ger Vor­ga­ben und mehr Ver­trau­en in die Men­schen, die die Brü­cke vor Ort bauen.

Ich bin mir sicher, das ist es, was Armin Laschet meint, wenn er vom Moder­ni­sie­rungs­jahr­zehnt spricht: Weni­ger „Papier-durch-die-Gegend-schie­ben“ und mehr „Machen“; mehr Frei­heit für die­je­ni­gen, die wis­sen, wo es lang geht; mehr Fokus auf das Ziel und weni­ger „Inves­ti­ti­ons­stau“. An die­sem Moder­ni­sie­rungs­jahr­zehnt möch­te ich mich betei­li­gen. Ich möch­te mei­nen Teil dazu bei­tra­gen, dass Ver­kehr nicht läs­tig ist, son­dern das zuver­läs­si­ge Rück­grat einer star­ken Industrienation.

Ich über­le­ge übri­gens bis heu­te, wie man „Ver­kehrs­po­li­tik“ anders beschrei­ben könn­te. Aber „Infra­struk­tur­po­li­tik“ ist nicht wirk­lich bes­ser. Viel­leicht umschrei­be ich es ein­fach mit: Ich möch­te, dass wir alle bes­ser von A nach B kommen.

Flo­ri­an Müller 

tritt 2021 zum ers­ten Mal als Direkt­kan­di­dat für die Bun­des­tags­wahl im Wahl­kreis Olpe – Mär­ki­scher Kreis I – also im Süd­sauer­land – an. Hier ist er stell­ver­tre­ten­der CDU-Kreis­vor­sit­zen­der und Vor­sit­zen­der sei­nes Hei­mat­ver­ban­des Drol­s­ha­gen. Der 33-Jäh­ri­ge war zudem stell­ver­tre­ten­der Lan­des­vor­sit­zen­der der Jun­gen Uni­on Nord­rhein-West­fa­len, Mit­glied im JU-Bun­des­vor­stand und Chef­re­dak­teur des Mit­glie­der­ma­ga­zins Die Ent­schei­dung.

Foto: Tobi­as Koch